Brüssel. Am 7. Juni wird das EU-Parlament neu gewählt. Bei vielen Bürgern haben die Abgeordneten allerdings keinen allzu guten Ruf. Allerlei Skandale um Abzocke im Amt haben dazu beigetragen. Nun wird die Bezahlung der Parlamentarier reformiert - und es gibt erneut Kritik
Können sie wirklich eine Million Euro pro Legislatur rausholen? Für die einen sind Europas Volksvertreter arme Stress-Opfer: ständig im Flieger, Zug oder Taxi, pendelnd zwischen Wahlkreis und Parlamentsausschüssen, Hotel und bleiernen Plenarsitzungen, wo sie Gesetzentwürfe mit 2000 Änderungsanträgen bearbeiten müssen. Für viele Bürger, die am 7. Juni ihre Abgeordneten für Straßburg wählen sollen, sind sie Egoisten: Spesenritter und Privilegierte, die sogar Kindern und Ehepartnern mit Steuergeld allerhand spendieren können und dazu Anspruch haben auf zusätzliche Luxuspensionen, obwohl ihre Diäten für eine eigene Altersvorsorge reichen sollten. Was aber bekommen sie wirklich, die EU-Abgeordneten?
Italiener an der Spitze
Die Deutschen erhalten Diäten von derzeit jährlich 92.000 Euro brutto, Österreicher knapp 111.000 Euro, Italiener gar 134.300 Euro. Die Spanier bekommen indes nur 41.000 Euro, die Ungarn sogar nur ein Viertel der Spanier, also gut 10.000 Euro im Jahr.
Unter den Briten kursiert eine „Hausnummer“, wie viel jeder EU-Abgeordnete pro Legislaturperiode (fünf Jahre) kassieren könne: eine Million pro Politiker-Familie, sagt ein früherer Sprecher der EP-Tories. Denn jedes gewählte Mitglied des Parlaments bekommt monatlich zusätzlich 17.000 Euro aus der EU-Kasse, um persönliche Assistenten zu bezahlen. Macht für die gesamte Legislatur gut eine Million Euro. Weil viele Volksvertreter für diese Dienste gerne Kinder und Ehepartner engagieren, winke ein Jackpot für die ganze Familie. Diätenschlusslichter Bulgaren und Ungarn kriegen dadurch zehnmal mehr Geld für ihre Assistenten, als sie selber an Abgeordneten-Diäten jährlich einstreichen (9.276 beziehungsweise 10.512 Euro vor Steuern).
Die Ungleichbezahlung endet am 7. Juni. Dann tritt ein neues EU-Abgeordneten-Statut in Kraft. Wer ins neue EU-Parlament gewählt wird, bekommt eine Einheitsdiät: gering besteuerte Monatsbezüge von brutto 7.413 Euro. Das macht knapp 6.000 Euro netto - und schafft neue Ungleichheit: Polnische, rumänische oder lettische EU-Abgeordnete verdienen dann nämlich mehr als ihre Minister oder Regierungschefs zu Hause. Aber immerhin: Das Gemauschel mit den Assistentengeldern soll mit der EU-Wahl endlich enden.
Lukrative Bezüge laufen weiter
Die wiedergewählten Italiener und Österreicher werden nach der Europawahl dennoch nicht auf Brot und Wasser angesagt. Sie dürfen ihre hohen Jahresbezüge weiter kassieren, heißt es im Abgeordneten-Statut. Ob die scharfe öffentliche Kritik an den maßlosen Pensionsansprüchen der EU-Abgeordneten weitergeht, haben diese selber in der Hand: Die frisch Gewählten müssen abstimmen, ob sie sich auch künftig Pensionen in dreifacher Höhe der privat eingezahlten Beiträge spendieren wollen.
Zulagen für Europa-Abgeordnete
Weil jedem Politiker Kosten entstehen, die er nicht von seiner Diät zahlt, hat das EU-Parlament vorgesorgt: Für die politische Arbeit in der Heimat darf er „Kosten für Büroorganisation, Telefonrechnungen und Porto, den Kauf, Betrieb und die Wartung von Computer- und Telematik-Ausstattung sowie Reisekosten“ erstattet bekommen mit monatlich 4.202 Euro. Wenn er für das EU-Parlament fliegt oder fährt, bekommt er die „Reisekosten und Buchungs- und Fahrscheinkosten, Gepäckbeförderung, Mahlzeiten usw.“ erstattet. Für weltweite Trips außerhalb der EU kann jeder Europapolitiker zudem auf einen Reiseposten von jährlich 4.148 Euro zugreifen und auf Reisen pro Tag zusätzlich 149 Euro erstattet bekommen. Und wer seine Hauptaufgabe ernst und an „offiziellen Sitzungen der Gremien des Europäischen Parlaments“ teilnimmt, bekommt ein Tagegeld (Hotel, Taxi, Frühstück) von 298 Euro.