Hongkong. . Zehntausende fordern in der Metropole Hongkong Demokratie und freie Wahlen. Die chinesische Regierung spricht hingegen von Gewalttätern und sieht den „sozialen Frieden“ bedroht. Nun haben die Protestler ein Ultimatum gestellt: Eine Wahlreform bis Donnerstag. Wie wird Chinas Führung reagieren?
Liem Tai ist empört. „Schauen Sie sich doch um“, sagt der 21-jährige Physik-Student und zeigt auf die vielen jungen Leute um sich herum. Sie sitzen auf den Straßen vor Hongkongs Regierungssitz. Angesichts der brütenden Nachmittagshitze fächern sie sich gegenseitig Luft zu. Einige spielen Karten, andere mit ihren Smartphones, eine junge Schülerin macht inmitten der Blockade Schulaufgaben. Helfer laufen mit schwarzen Müllsäcken herum und sammeln jeden einzelnen Papierschnipsel auf. „Sehen so etwa Chaoten aus?“, fragt Tai.
In den chinesischen Staatsmedien ist bei den Demonstranten, die seit Tagen das Regierungsviertel der Wirtschaftsmetropole in Hongkong blockieren und für Demokratie und freie Wahlen demonstrieren, dennoch nur von „radikalen Elementen“, „Gewalttätern“ und einer „extremen Minderheit“ die Rede. Die chinesische Führung verurteilte die Demonstrationen in Hongkong als „illegale Versammlungen“, die den „sozialen Frieden“ gefährden würden.
Seit Sonntag blockieren Zehntausende Hongkonger mehrere Geschäftsviertel der Siebenmillionenmetropole, wozu auch das Regierungs- und Finanzviertel gehört. Aus der eigentlich vorgesehenen Aktion, mit „Occupy Central“ lediglich den Verkehr lahm zu legen, ist am dritten Protesttag eine stadtweite Bewegung geworden.
„Ein Land – zwei Systeme“
Außer im Finanzviertel haben Demonstranten den Verkehr von mindestens drei weiteren Stadtteilen zum Erliegen gebracht. Die Demonstranten fordern von der kommunistischen Führung in Peking freie Wahlen, die diese Bezeichnung auch verdienen. Die Bürger der ehemaligen britischen Kronkolonie hatten nach der Rückgabe an die Volksrepublik im Jahre 1997 von Peking die Garantie erhalten, nach dem Grundsatz „Ein Land – zwei Systeme“ weitere 50 Jahre an ihrer bisherigen Rechtsordnung mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit festhalten zu dürfen. Für das Jahr 2017 hatte Peking versprochen, dass die Hongkonger ihren Regierungschef erstmals direkt wählen dürfen.
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Doch im August präzisierte die kommunistische Führung ihre Vorgaben: Die Zahl der Kandidaten ist auf maximal drei begrenzt, die allesamt von Peking ausgewählt werden. Eine Farce, finden die Hongkonger. Seitdem tobt der Protest.
Wie die meisten ihrer Mitstreiter trägt auch die 17-jährige Schülerin Tan ein schwarzes T-Shirt. Militant sieht sie aber nicht aus. Im Gegenteil: Auf dem T-Shirt prangt „Hello Kitty“. „Wir wissen doch, was für ein korruptes System in China herrscht und wie die Menschenrechte mit Füßen getreten werden“, sagt Tan. „Ich habe Angst, dass Hongkong auch so wird.“
Mit Tränengas und Pfefferspray
Am Sonntagabend war es zu den bislang gewalttätigsten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und den Demonstranten gekommen. Bereitschaftspolizisten wollten die friedliche Blockade im Finanzviertel mit Gewalt auflösen. „Ich konnte kaum atmen, als ein Polizist sein Plastikschild gegen meinen Kopf drückte“, berichtet Tan. Später kamen Pfefferspray und Tränengas zum Einsatz.
Viele Demonstranten hatten allerdings vorsorglich Regenschirme mitgebracht und spannten sie zum Schutz auf. Über die sozialen Medien gingen diese Bilder um die Welt. Seitdem wird Hongkongs Protest als „Regenschirm-Revolution“ bezeichnet.
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Demokratie-Aktivisten forderten am Dienstag den amtierenden Hongkonger Regierungschef Leung Cheun Ying zum Rücktritt auf und stellten ihm ein Ultimatum. Sollte eine Rücknahme der Wahlreform bis Donnerstag nicht erfüllt werden, würden sie die Proteste ausweiten.
Aktivist Tai ist fest davon überzeugt, dass es bereits am heutigen Mittwoch dazu kommen werde. Denn heute wird in China der Nationalfeiertag begangen, in diesem Jahr in Gedenken an die Ausrufung der Volksrepublik vor 65 Jahren. Tai findet: „Da wäre es doch ein Jammer, wenn wir diesen Tag in Hongkong nicht nutzen.“