Donezk. Schwere Gefechte erschüttern die seit mehr als drei Wochen geltende Feuerpause in der Ostukraine. Zivilisten und Soldaten sterben, die Separatisten sprechen sogar vom Fund eines Massengrabes mit 400 Leichen. Wie viel erträgt der mühsam auf den Weg gebrachte Friedensprozess, bevor er scheitert?
Bei den blutigsten Kämpfen zwischen prorussischen Separatisten und Regierungstruppen in der Ostukraine seit Beginn der Waffenruhe sind fast 20 Menschen getötet worden. Innerhalb von 24 Stunden seien 9 Soldaten im Konfliktgebiet ums Leben gekommen und etwa 30 verletzt worden, teilten die Behörden in Kiew am Montag mit.
Die Armee habe zwei Angriffe der Aufständischen auf den Flughafen von Donezk abgewehrt, sagte Sicherheitsratssprecher Andrej Lyssenko. Die Separatisten sprachen von fünf toten Kämpfern in den eigenen Reihen und von acht Verletzten. Die Stadtverwaltung von Donezk berichtete zudem von drei getöteten Zivilisten.
In Donezk und Lugansk wird gekämpft
Die Regierungstruppen und die Aufständischen hatten am 5. September in der weißrussischen Hauptstadt Minsk eine Waffenruhe vereinbart. Die Feuerpause gilt aber seit jeher als brüchig. In vielen Vierteln von Donezk sei Feuer aus schweren Waffen zu hören, hieß es in der Mitteilung des Stadtrats. Auch im Gebiet Lugansk wurde den Aufständischen zufolge gekämpft.
Aber auch andere Teile der Ostukraine kamen nicht zur Ruhe. In der von Kiew kontrollierten Stadt Charkow stürzten Ultranationalisten ein Lenin-Denkmal. Sie wollten damit zeigen, dass prorussische Kräfte und eine Bevormundung durch Moskau in Charkow unerwünscht sind.
Separatisten wollen 400 Leichen gefunden haben
Mit Berichten über rund 400 im Konfliktgebiet gefundene Leichen machten die Separatisten Druck auf die Führung in Kiew. Die Gräber befänden sich in Gebieten, die zuvor von der ukrainischen Armee kontrolliert worden seien, sagte Separatistenführer Andrej Purgin der Agentur Interfax. Bei den meisten Toten handle es sich um Zivilisten, viele seien derartig zugerichtet, dass sie nicht einfach identifiziert werden könnten.
Eine unabhängige Bestätigung der Zahl gab es zunächst nicht. Die Führung in Kiew bezeichnete die Darstellung der moskautreuen Separatisten als Propaganda, mit der das ukrainische Militär nach dem Rückzug in schlechtes Licht gerückt werden solle.
In Russland ist die Empörung groß
Die Aufständischen hatten bereits in den vergangenen Tagen von "Massengräbern" im Konfliktgebiet berichtet, die Zahl der Toten war aber unklar. In Russland lösten die Nachrichten aus der Ostukraine große Besorgnis aus. Politiker und Diplomaten sprachen von "Kriegsverbrechen" und forderten eine internationale Untersuchung.
Trotz knapper Staatskassen und einer durch den Bürgerkrieg ausgelösten Wirtschaftskrise will die Ukraine ihr Militär massiv aufrüsten. Die Ausgaben für Verteidigung sollten bis 2020 auf 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verfünffachen, kündigte Präsidialamtschef Dmitri Schimkiw örtlichen Medien zufolge an. Bislang beträgt der Verteidigungshaushalt nach offiziellen Angaben umgerechnet etwa 900 Millionen Euro. Die Zahl der Wehrdienstleistenden solle von der momentan Durchschnittszahl 2,8 auf 7 je 1000 Einwohner steigen, sagte Schimkiw.
Die Aufständischen wollen die Unabhängigkeit ihrer Gebiete von der Ukraine und eine Annäherung an Russland. Als Zeichen der eigenen Souveränität wolle die selbst ernannte "Volksrepublik" Donezk in den kommenden Monaten den russischen Rubel einführen und die ukrainische Währung Griwna abschaffen, kündigte Separatistenführer Alexander Sachartschenko an. (dpa)