Moskau. . Die Beschlüsse des ukrainischen Parlaments über einen Sonderstatus für den Donbass stößt fast überall auf Ablehnung. Ukrainische Nationalisten fühlen sich verraten, ostukrainische Separatisten lachen über die Entscheidungen in Kiew. Immerhin: Das Parlament hat ein klares Bekenntnis zur EU abgegeben.
Nach der Abstimmung erhob sich der Saal und die Abgeordneten sangen geschlossen die Nationalhymne. Zuvor hatte das ukrainische Parlament in Kiew das Assoziierungsabkommen mit der EU ratifiziert. Von 388 anwesenden Abgeordneten stimmten 355 ab, alle mit Ja. „Ein schicksalhafter Tag“, titelte die Nachrichtenagentur Unian. Damit war nicht nur die Assoziierung gemeint, deren Kernstück, das Freihandelsabkommen, erst 2016 in Kraft tritt, sondern auch zwei Gesetze, die den Friedensplan von Präsident Petro Poroschenko umsetzen sollen: Mit 277 Ja-Stimmen wurde ein Gesetz über den Sonderstatus der Rebellengebiete im Donbass verabschiedet. Die Abgeordneten stimmten zudem für eine Amnestie der bewaffneten Aufständischen.
Das Gesetz über den Sonderstatus sieht in den Gebieten der Regionen Lugansk und Donezk, die von den pro-russischen Separatisten kontrolliert werden, Kommunalwahlen am 7. Dezember vor. Es garantiert den Gebrauch der russischen Sprache im öffentlichen Leben und kündigt staatliche Unterstützung für den Wiederaufbau der Region an. Außerdem soll eine neue Polizei aus Einheimischen aufgebaut werden.
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Der ukrainischen Führung fehlen die Mittel für einen militärischen Sieg
Damit folgt das Parlament dem Friedensprogramm, das Poroschenko vorgeschlagen hatte und mit dem Poroschenkos Widersacher, Kremlchef Wladimir Putin, zumindest verbal unterstützt wird.
„Unsere Führung hat begriffen, dass ihr zurzeit die Mittel für einen militärischen Sieg gegen Russland fehlen“, analysierte der Politologe Sergei Tkatschenko gegenüber dieser Zeitung. „Sie will den Konflikt einfrieren, wird den Rebellenrepubliken Wiederaufbauhilfen zahlen und gleichzeitig versuchen, die übrige Ukraine wirtschaftlich zu reformieren und auch militärisch umzurüsten.“ Trotzdem hagelt es von beiden Seiten Hohn und Protest.
Juri Sirjutjuk von der nationalistischen Partei „Freiheit“, deren Fraktion die Abstimmung boykottierte, sprach von „Gesetzen zum nationalen Verrat der Ukraine“. Und vor dem Parlamentsgebäude protestierten 200 Gegner des Friedensplans, die wütende Menge warf einen Parlamentarier der „Partei der Regionen“ in einen Müllcontainer.
Auch im Donbass herrschte Unverständnis. „Mit diesem Gesetz gibt die Ukraine die Rebellengebiete praktisch auf“, schimpft Spartak Stepnow, patriotischer ukrainischer Aktivist in der seit Wochen unter Beschuss liegenden Stadt Mariupol. „Warum mussten unsere Soldaten dafür sterben, das hätte man schon vor Monaten aushandeln können?“
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In anderen Teilen der Ukraine wird sogar über einen Rauswurf der Rebellenregion aus der Ukraine diskutiert. „Wirtschaftlich ist der Donbass ein Mühlstein“, sagt Sergei Zoologowitsch, Koordinator für die Unterstützung der ukrainischen Armee in Odessa. „Soll doch Russland die bankrotten Separatisten finanzieren. Oder sie sich selbst.“
Viele Ukrainer erwarten weitere russische Angriffe vor allem auf die ukrainische Schwarzmeerküste. Zumal Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu gestern erklärte, man wolle auf der annektierten Krim eine komplette Armeegruppe aufstellen.
„Was soll dieser Frieden taugen?“
Der Donezker Separatistenführer Andrei Purgin reagierte ironisch auf die Kiewer Beschlüsse: „Wir haben unseren eigenen Obersten Sowjet, um Gesetze zu verabschieden“, sagte er in Donezk. Eine politische Lösung in der Ukraine schloss er aus, dazu sei zu viel Blut vergossen. Auch unter den Rebellen herrscht Skepsis. „Der Waffenstillstand ist vom ersten Tag an nicht eingehalten worden“, sagt Dmitri, ein Kämpfer des Bataillons Oplot. „Was also soll dieser Frieden taugen?“