Essen. . NRW-Ministerpräsidentin Kraft ist nach dem Unwetter in Münster erst nach mehrwöchiger Verzögerung an den Katastrophenort gefahren. Sie begründet ihre Abwesenheit damit, dass sie während ihres Urlaubs keinen Empfang gehabt habe. Darf die Regierungschefin des größten Bundeslandes so einfach abtauchen?

Guntram Schneider, der Arbeitsminister von NRW, zieht seit Monaten durch die Lande und kämpft unermüdlich für sein Anti-Stress-Gesetz. Mit der Verordnung will er die Erreichbarkeit von Beschäftigten außerhalb ihrer Dienstzeit einschränken. Bei seiner Chefin war Schneider mit seiner Initiative offenbar schon erfolgreich - Ministerpräsidentin Hannelore Kraft war nach eigenem Bekunden in ihrem sommerlichen Bootsurlaub in Brandenburg eine Woche lange nicht erreichbar. Dem Funkloch sei Dank. Ganz im Sinne des Brandenburger Landesmottos: "Das Weite liegt so nah."

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Nun ist Kraft aber keine einfache Angestellte sondern die Chefin der Regierung des größten Bundeslandes. Kann man sich da einfach eine Woche ins Tal der Ahnungslosen absetzen? Was, wenn es daheim plötzlich rund geht, die Grünen die Koalition aufkündigen oder - nicht auszudenken! - Sigmar Gabriel anruft und ihr die Kanzlerkandidatur für 2017 anbieten will? Während die Ministerpräsidentin nichts ahnend die Segel hisst. Heidewitzka, Frau Kapitän!

Das "Glück der Unerreichbarkeit", so wie es Hannelore Kraft im Brandenburgischen genossen haben mag, beschrieb schon vor Jahren die Autorin Miriam Meckel. Die Medienwissenschaftlerin muss es wissen, war sie doch selbst als Staatssekretärin und Regierungssprecherin in NRW eine Zeitlang im Dauerstress, bevor sie später ein Burnout ereilte. Anrufe, E-Mails, SMS, WhatsApp - mithin die ganze Palette der schönen neuen Kommunikationswelt - halten auch Spitzenpolitiker fest im Griff. Viele jonglieren permanent mit zwei oder gar drei Handys. Da muss man doch mal raus aus dem Trott!

Krafts selbst verordnete Auszeit verdient Sympathie. Der Skandal, den die Opposition nun aus ihrer Sommerfrische im brandenburgischen Nirgendwo ziehen will, ist keiner. Wenn es wirklich gebrannt hätte am Rhein - die Staatskanzlei wäre der Chefin schon irgendwie habhaft geworden, möchte man meinen. Der Dichter Theodor Fontane, ein großer Sohn Brandenburgs, hat geschrieben: "Uns gehört nur die Stunde. Und eine Stunde, wenn sie glücklich ist, ist viel." Hannelore Kraft hatte eine ganze Woche stressfrei. Keine Sorge, es kommen auch wieder andere Zeiten...