Brüssel. . Der EU-Sondergipfel in Brüssel hat Polens Regierungschef Donald Tusk (57) zum neuen EU-Ratspräsidenten bestimmt. Die italienische Außenministerin Federica Mogherini (41) wird neue EU-Außenbeauftragte. Tusk, der als Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel gilt, gehört zu den Konservativen. Mogherini ist Sozialdemokratin.

„Machen Sie sich keine Sorge um mein Englisch!“, bittet Donald Tusk, „bis Dezember bringe ich das auf Vordermann!“. Dann nämlich soll der bisherige polnische Premier an die EU-Spitze rücken: Die Staats- und Regierungschefs der EU haben den 57-Jährigen zum nächsten Präsidenten des „Europäischen Rats“ bestimmt, wie die Gipfelrunde offiziell heißt.

Tusk folgt auf den zurückhaltenden, aber durchaus selbstbewussten Belgier Herman Van Rompuy, der wie viele seiner Landsleute sprachlich bewandert ist. Nicht nur im Flämischen und Französischen. Er parliert auch mit Briten und Iren, Deutschen und Österreichern in ihrer Muttersprache. Dass Tusk auf diesem Gebiet nicht mithalten kann, gilt als sein größtes Start-Handicap.

Erfahrung und Herkunft

Er habe nichtsdestoweniger „von Herman gelernt, wie man in Europa Kompromisse bastelt“, sagt der Pole. Neben beträchtlicher Erfahrung – Regierungschef in Warschau ist er seit 2007 – spricht noch einiges für ihn. Da ist zum einen die Herkunft. Seine Ernennung erfüllt die zuletzt immer dringlicher gewordene Erwartung, dass bei der Neubesetzung der EU-Chefetage endlich auch die jüngeren Mitgliedstaaten im Osten der EU zum Zuge kommen müssten. Zwar war Jerzy Buzek, ebenfalls Pole, 2009-2012 Präsident des EU-Parlaments. Das gilt aber als eher repräsentativer Posten.

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Zudem hat sich Tusk den Respekt der EU-Kollegen erworben, weil er zuhause ein politisches Kunststück vollbracht hat: gute Stimmung zu machen in Sachen EU. Unter dem liberal-konservativen Tusk sind die Polen nicht nur manierlich durch die Finanzkrise gekommen. Sie sind auch in der übergroßen Mehrheit stabil europafreundlich gesonnen.

Ein Signal an Moskau

„Mehr als 80 Prozent der Polen glauben an Europa“, versicherte Tusk in Brüssel. Kanzlerin Merkel, die mit den vorher in Warschau regierenden und hochgradig EU-misstrauischen Kaczynski-Zwillingen ihre liebe Not hatte, ist dem Nachfolger für die Wende geradezu dankbar. Tusk sei „ein überzeugter und überzeugender Europäer“.

Nicht zuletzt macht seine Bestallung aus Merkels und der meisten ihrer Kollegen Sicht als Signal im Kräftemessen mit Wladimir Putins Russland Sinn. Polen führt die Gruppe der Länder im Osten der EU an, die nach der Erfahrung als Satelliten im Sowjetreich für eine harte Haltung gegenüber Putins Großmacht-Gehabe eintreten.

Das schien den Gipfel-Teilnehmern um so wichtiger, als sie parallel nicht mehr umhin konnten, die Italienerin Federica Mogherini zur künftigen Chefmanagerin der EU-Außenpolitik zu ernennen. Mogherini, als Außenministerin in Rom gerade mal sechs Monate im Amt, ist vor allem ein Proporz-Ereignis: Frau, Sozialdemokratin aus einem südlichen EU-Gründerstaat – das musste sein. Was Russland anlangt, steht sie für die Gegenposition zu Tusk, wonach keine Anstrengung unterlassen werden darf, eine Verständigung mit Putin zu suchen.

Der italienische Premier Matteo Renzi hatte sich für seine 41-jährige Chefdiplomatin gewaltig ins Zeug gelegt und dank seines Gewichts als derzeit stärkster Figur unter den regierenden Genossen schließlich durchgesetzt. Das Vorschuss-Lob fiel deutlich dürrer aus als im Falle Tusk. „Auch da freue ich mich auf die Zusammenarbeit“, erklärte Merkel schmallippig.

Frauenquote noch nicht erfüllt

Mogherini spricht gutes Englisch, tat aber in Brüssel ansonsten wenig, die Vorbehalte gegen ihre Person zu zerstreuen. So jung sei sie ja gar nicht mehr, habe 20 Jahre parlamentarische Arbeit und Beschäftigung mit internationalen Themen hinter sich und stehe im übrigen für „die neue Energie einer neuen Generation in der europäischen Führung“, so die Italienerin.

Wie ihre Vorgängerin Catherine Ashton wird Mogherini auch Vize-Präsidentin in der EU-Kommission. Deren neuer Präsident Jean-Claude Juncker will in den nächsten Tagen die restlichen Nominierungen für seine künftige Mannschaft einsammeln. Auch nach der Benennung Mogherinis fehlen ihm noch mehrere Kandidatinnen, um die vom Parlament verlangte Frauen-Quote („mindestens neun“) zu erfüllen.