Berlin. . Sanktionen sind das eine, deren Wirksamkeit das andere. Im Konflikt um die Ukraine und die verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland weisen Experten genau auf diesen Umstand hin. Sanktionen können demnach nur Teil einer diplomatischen Strategie sei. Das Gespräch zu Russland dürfe nicht abreißen.
Nach den Wirtschaftssanktionen im Ukraine-Konflikt wächst in Berlin die Sorge vor einer Verschärfung der Krise. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte: „Wir müssen Angst haben, dass sich die Krise weiterentwickelt“. Er verwies auf politische Kosten des Konflikts mit Russland und warnte vor Sanktionen im Energiebereich.
Spirale der Sanktionen
Gernot Erler, Russland-Koordinator der Regierung, beklagte, Russland und der Westen seien längst in eine Spirale von Sanktionen geraten – die EU denke bereits an Antworten auf den russischen Einfuhrstopp für Lebensmittel. Die Diplomatie müsse dringend eine Chance erhalten, so Erler.
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Zwar glaubt der Bund, dass die Handelsbeschränkungen die deutsche Wirtschaft nicht bedrohen. Im Außenministerium wie im Kanzleramt glaubt aber niemand, dass Russlands Präsident Wladimir Putin rasch einlenken und die EU-Forderungen erfüllen könnte – also etwa Waffenlieferungen an die Separatisten in der Ostukraine stoppen und den Waffenstillstand befördern.
Ein politisches Signal an Russland sei nach dem Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 unumgänglich, sagen Spitzendiplomaten in Berlin. Putin werde aber nichts tun, das wie ein Nachgeben gegenüber westlichem Druck wirke. Wissenschaftler sehen das ähnlich: „Die Erfolgsquote von Wirtschaftssanktionen ist prinzipiell ernüchternd“, heißt es in einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo. „Die Erfahrung spricht nicht dafür, dass Russland einlenken wird“ – selbst wenn die Sanktionen großen ökonomischen Schaden anrichten könnten.
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Zugleich warnen die Experten vor finanziellen Belastungen Deutschlands: Der Bund habe bis Ende 2013 Exportkreditgarantien von 8,1 Milliarden Euro für Russland-Geschäfte übernommen und Investitionsgarantien von 9,8 Milliarden Euro: „Falls es zu Zahlungsverweigerungen oder zu Enteignungen kommen sollte, wäre der deutsche Steuerzahler in der Haftung.“ Die Bundesregierung versucht, die Eskalation zu stoppen und Russland wieder in einen Dialog einzubinden.
Merkel in Kontakt mit Putin
Kanzlerin Angela Merkel setzt auf Gespräche der Kontaktgruppe von OSZE, Russland und der Ukraine mit den Separatisten. Als wichtiges Signal werten Diplomaten, dass Putin und Merkel mit einem Telefonat in dieser Woche den wochenlang unterbrochenen Gesprächskontakt wieder aufgenommen haben. Der Politikwissenschaftler und Regierungsberater Volker Perthes mahnt: „Sanktionen müssen, um erfolgreich zu sein, Teil einer umfassenden diplomatischen Strategie sein.“ Dennoch brauche man „einen langen Atem“.