Berlin/Essen. Die Sanktionsliste ist umfangreich: Russland hat die Einfuhr von Fleisch und Obst aus Europa verboten. Landwirte fürchten jetzt sinkende Preise. Auch die Fleischverarbeitende Branche leidet, heißt es beim Lebensmittelkonzern Tönnies.
Das russische Einfuhrverbot für Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Obst und Gemüse trifft die deutschen Bauern und die Ernährungsindustrie. Es geht immerhin um Ausfuhren in Höhe von 1,6 Milliarden Euro im Jahr 2013. Das waren zwar bereits 14 Prozent weniger als 2012, aber Russland ist dennoch nach der Schweiz gleichauf mit den USA der zweitwichtigste Absatzmarkt für die deutsche Agrarwirtschaft außerhalb der EU. Dass der russische Präsident Wladimir Putin auf die Sanktionen mit Gegenmaßnahmen reagieren würde, war klar; nicht aber, welche Branchen es treffen würde.
Einfuhrverbot von Gemüse
Agrarminister Christian Schmidt (CSU) war gestern denn auch unvorbereitet, als er in Fürth eine Erklärung abgab. Im Einzelnen könne er die Auswirkungen nicht absehen, räumte er ein, nur so viel: „Sie werden spürbar sein.“ Schmidt ist aber auch sicher, dass sich die Russen selber schaden und ihre Versorgung leiden wird. Für russische Bürger hieße das: weniger Vielfalt, höhere Preise.
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Für die Strafaktion ist ein Jahr angesetzt. Wie lange sie anhalten wird, hängt natürlich vom Verlauf des Ukraine-Konflikts ab. Die Sanktionen treffen nach der Analyse der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie insbesondere die Exporteure von Fleisch, Käse, Gemüse, Schokolade und Backwaren. Der Einfuhrstopp gilt auch für Fisch und Geflügel, betroffen sind Produzenten, aber auch Händler wie der Tiefkühlspezialist Bofrost aus dem niederrheinischen Straelen.
"Die Branche leidet seit Monaten"
Schweinefleisch hatte Russland schon seit Januar nicht mehr aus der EU eingeführt, begründet mit dem Auftreten der Afrikanischen Schweinepest in den EU-Ländern Litauen und Polen. Insofern ändert sich für Fleischexporteure wenig. Was sie trifft, ist die Gewissheit, auf absehbare Zeit nicht mehr nach Russland liefern zu können.
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Ein Sprecher des größten deutschen Schweinefleischverarbeiters Tönnies sagte dieser Zeitung: „Dieses Verbot hat nichts mit der aktuellen Situation zu tun. Die Branche leidet bereits seit einigen Monaten schwer durch den Wegfall eines bedeutenden Marktes. Die aktuellen Sanktionen bestätigen den ohnehin schon geltenden Status quo.“
Bauernverband appelliert an Bundesregierung
Unmittelbare Einbußen befürchten die Milchbauern. Der Bauernverband appellierte an Bundesregierung und EU-Kommission, auf die Öffnung neuer Märkte zu drängen, konkret: in Südostasien, besonders aber in China. In Asien könnte man die Ausfälle kompensieren, die in Russland anfallen. Tendenzen zur Marktabschottung gab es in Russland seit langem, unter anderem gegen Käse.
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Von Januar bis Mai 2013 gingen die deutschen Exporte an Käse von 19.000 auf 9000 Tonnen zurück. Während die Bauern stöhnen, ist es eine Ironie, dass die Verbraucher in Deutschland womöglich die Krisengewinnler sind, weil die Preise unter Druck geraten könnten. Die Milchbauern rechnen jedenfalls damit, dass die Preise weiter nach unten gehen werden.
Der von den EU-Sanktionen gegen Russland betroffene Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall senkte nach dem Ausfuhrverbot für ein Gefechtsübungszentrum in Russland seine Umsatz- und Gewinnziele. Das operative Ergebnis der Sparte Defence werde statt 85 bis 95 Millionen nur noch 65 bis 75 Millionen Euro betragen, hieß es gestern bei Vorlage der Halbjahresbilanz. Es zeichnet sich ab, dass Rheinmetall für das geplatzte 100-Millionen-Geschäft Entschädigung vom Bund verlangen wird. Rheinmetall arbeite „intensiv daran, auch unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten die finanziellen Belastungen so gering wie möglich zu halten“, hieß es. (mit mko)