Essen/Berlin.. Das Bundeskriminalamt sieht derzeit keine Hinweise auf Anschläge durch Salafisten in Deutschland. Experten sind jedoch der Meinung, dass sich das schnell ändern kann. CDU-Politiker Wolfgang Bosbach will nun wissen: Wie konnte K. sich in kürzester Zeit zum gewaltbereiten Terror-Kandidaten entwickeln?

Nach der Terrordrohung des Essener Salafisten Silvio K. gerät NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) unter Druck. „Wie konnte sich K. unter den Augen der Sicherheitsbehörden in kürzester Zeit zu einem gewaltbereiten, nicht mehr kontrollierbaren Terrorkandidaten entwickeln?“, fragt Wolfgang Bosbach (CDU), Chef des Innenausschusses im Bundestag. Bosbach will wissen, „was die Sicherheitsbehörden zu welchem Zeitpunkt wussten, wie sie reagiert haben und warum nicht verhindert wurde, dass sich K. absetzen konnte“.

Wie berichtet, ruft Salafist K., Mitglied und Sprachrohr der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS), zu Anschlägen in Deutschland auf. Dabei rückt er unter anderem das US-Atombombenlager auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz ins Visier. Aber auch ehemalige Nachbarn von K. in Solingen sowie öffentliche, private und kirchliche Einrichtungen werden bedroht.

BKA: "Keine Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen"

Dem BKA „liegen derzeit keine Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen oder einen bevorstehenden Anschlag vor“. Gleichwohl halten Sicherheitsbehörden und Terrorexperten zwei Szenarien für denkbar: ein Attentat eines dschihadistischen Einzeltäters oder einer radikalen Gruppe. Für beide Varianten gibt es einen personellen Unterbau.

So hat der verfassungsfeindliche Salafisten-Verein Millatu Ibrahim auch zwei Jahre nach seinem Verbot noch Anhänger in Deutschland – auch Dschihadisten, die in ausländischen Terrorcamps angelernt wurden. „Wie groß sind diese Strukturen noch?" Das ist die Frage, die sich Terrorexperte Guido Steinberg stellt. Millatu-Ibrahim-Zellen sieht er als potenzielles Reservoir für mögliche Anschlagsszenarien. „Darüber muss man sich Gedanken machen“, sagt Steinberg.

Anschlagsaufruf von Silvio K. könnte unbekannte Islamisten animieren

Der Terrorexperte Dirk Baehr sieht eher Gefahr durch Einzeltäter wie den Frankfurter Flughafen-Attentäter Arid Uka, der 2011 zwei US-Amerikaner erschoss und lebenslang hinter Gittern sitzt. Bisher unbekannte Islamisten könne der Anschlagsaufruf von Silvio K. animieren. „Es gibt Leute, die auf sowas anspringen können“, sagt Baehr. „Für Sicherheitsbehörden ist ein Eingreifen dann sehr schwierig.“ Beide Experten glauben nicht an einen Anschlag. „Doch Versuche wird es weiter geben“, sagt Steinberg.

Das Bundesinnenministerium sieht „eine abstrakt hohe Gefährdung für die innere Sicherheit, die jederzeit in Form von Anschlägen real werden kann“. Das zeige der Terrorakt gegen das jüdische Museum in Brüssel.

Ermittler hatten früh vor Silvio K. gewarnt und ihn als „tickende Zeitbombe“ eingestuft. Dennoch ging er dem LKA durchs Netz und stieß zur Terrorgruppe Islamischer Staat. Der Vorgang werde „spätestens nach der parlamentarischen Sommerpause gründlich aufgerollt“, sagt Bosbach.