Berlin. Die Elternzeit wird in Nordrhein-Westfalen nicht besonders gut angenommen: Nur drei von zehn Vätern nutzen das Angebot, im Ruhrgebiet und im Sauerland ist die Nachfrage noch geringer. Und die Väter, die die Elternzeit beanspruchen, tun dies häufig nur für zwei Monate.

Immer mehr junge Väter nehmen Elternzeit, sie bleiben im Durchschnitt aber immer kürzer zu Hause: Sieben Jahre nach Einführung von Elterngeld und Partner-Monaten ist der „Zweimonatsvater“ heute Standard.

Ursprünglich sollte die gesetzliche Neuregelung der Elternzeit die Rollenverteilung in der Familie verändern, Väter stärker einbinden und die Sorgearbeit auf Dauer besser verteilen. Doch Forscher sind inzwischen skeptisch.

In Nordrhein-Westfalen sind die Quoten besonders niedrig: „Es ist eine Illusion zu glauben, dass man per Gesetz kurzfristig partnerschaftliche Arrangements verändern kann“, sagte der Dortmunder Soziologe Michael Meuser gegenüber unserer Zeitung. Mittelfristig könne sich das natürlich ändern. „Aber es gibt berechtigte Zweifel, ob es gelingt.“

In NRW nehmen nur zwei von zehn Vätern Elternzeit

Bundesweit nehmen heute drei von zehn Vätern Elternzeit – in Nordrhein-Westfalen ist es allerdings nur jeder Fünfte. Im Ruhrgebiet und im Sauerland sind die Quoten sogar noch geringer. Besonders niedrig waren sie zuletzt in Duisburg, Oberhausen, Bottrop, Gelsenkirchen, Herne und Hagen – sowie im Märkischen Kreis, und in den Kreisen Olpe und Siegen. Hier nimmt oft nur einer von zehn Vätern Elternzeit. Auch am Niederrhein liegen die Quoten unter dem Bundesdurchschnitt.

I n einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Universitäten in Dortmund, Bochum und Duisburg-Essen wollen Wissenschaftler die Ursachen für die schwache Beteiligung der Väter an Rhein und Ruhr suchen. Die Mercator Stiftung fördert die Väter-Forschung mit einer Viertelmillion Euro.

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Seit 2007 können junge Mütter und Väter nach der Geburt eines Kindes in Elternzeit gehen und dabei zwölf Monate lang Elterngeld beziehen. Beide können den Zeitraum frei untereinander aufteilen. Beteiligt sich der Partner, kommen noch einmal zwei Elterngeld-Monate hinzu. Der Staat übernimmt einen Großteil des Einkommensausfalls. Familienministerin Schwesig (SPD) will das Elterngeld noch in diesem Jahr flexibler gestalten – und damit Paaren entgegen kommen, die nach der Geburt beide in Teilzeit arbeiten wollen. Etliche Väter nutzen mittlerweile die Auszeit vom Job, um ihre Kinder in die Kita einzugewöhnen. In Nordrhein-Westfalen beginnt das neue Kita-Jahr am 1. August.

Die "Zweimonats-Väter" kommen

„Wir freuen uns“, sagt Eve Everett. Weil immer öfter junge Väter ihre Kinder beim Start ins Kita-Leben begleiten. Oft nutzen sie die Elternzeit, um die Eingewöhnung zu übernehmen, wie die Leiterin der Städtischen Kita in Essen-Rüttenscheid beobachtet. „Wir empfehlen das nicht ausdrücklich, aber wir finden das gut.“ Am 1. August beginnt in NRW das neue Kita-Jahr und damit die Eingewöhnungszeit für Tausende Kleinkinder.

Bundesweit steigt die Zahl der Väter, die Elternzeit nehmen, stetig an. Doch die wenigsten nehmen mehr als das Minimum. Der „Zweimonatsvater“ ist die Regel; Paare, die sich die Elternzeit teilen, sind die Ausnahme. Neue Zahlen zeigen sogar, dass bei den jungen Vätern der Trend zum Minimum wächst. In den letzten sieben Jahren, seit Elterngeld und Partnermonate eingeführt wurden, ist die Durchschnittsdauer der Väterbeteiligung immer weiter zurückgegangen.

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Zwei Monate: Für die Eingewöhnung in die Kita reicht das – für ein neues Familienmodell kaum. Dabei sollte die gesetzliche Neuregelung der Elternzeit 2007 genau das erreichen: Vaterschaft verändern. Mütter schneller wieder in den Job zurück bringen. Sorgearbeit besser verteilen. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass man per Gesetz kurzfristig partnerschaftliche Arrangements verändern kann“, sagt Michael Meuser, Soziologe an der Uni Dortmund. „Wenn sich tradierte Rollenbilder und Routinen verändern sollen, muss man in großen Zeiträumen denken, das kann durchaus Jahrzehnte dauern.“

Viele Paare können keine Einkommensausfälle riskieren

Es ist noch zu früh, von einem Scheitern der Vätermonate als Gleichstellungsinstrument zu sprechen, aber: „Es gibt berechtigte Zweifel, ob es gelingt.“ Meuser beobachtet, dass viele Väter die vom Staat finanzierten Partnermonate nehmen, das familiäre Rollenmodell aber unangetastet bleibt: „Es gibt einen Mitnahmeeffekt.“ Zusammen mit Kollegen von den Universitäten in Bochum und Duisburg-Essen will Meuser herausfinden, warum es so viele Zweimonatsväter gibt – und warum noch immer nur drei von zehn jungen Vätern überhaupt Partnermonate nehmen. In NRW ist es sogar nur jeder Fünfte – im Ruhrgebiet und im Sauerland noch mal weniger als im Landesdurchschnitt. Besonders niedrig waren die Quoten zuletzt in Duisburg, Oberhausen, Bottrop, Gelsenkirchen, Herne und Hagen sowie im Märkischen Kreis, und in den Kreisen Olpe und Siegen. Hier nimmt oft nur einer von zehn Vätern Elternzeit.

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Meuser und seine Kollegen suchen jetzt nach den Ursachen: „Denkbar ist vieles, die Angst um den Job oder auch die industrielle Struktur der Region. Womöglich gibt es in der Schwerindustrie eine andere Personalkultur als in jüngeren Branchen, etwa im Bereich Hightech oder Dienstleistung.“

Auch finanzielle Gründe spielen eine Rolle. Wie eine Prognos-Studie zeigt, können oder wollen viele Paare, gerade wenn die Frau nicht berufstätig ist, keine Einkommensausfälle riskieren. Denn: Wer Elternzeit nimmt und dafür Elterngeld bezieht, bekommt in der Regel nur einen Teil seines Gehaltes erstattet.

Hohe Hürden in Betrieben

Oft aber erscheinen auch die betrieblichen Hürden zu hoch: „Ich bin leitender Angestellter“, sagt ein Vater aus Essen, „da ist Elternzeit nicht drin.“ Er hat seinen Jahresurlaub genommen, um sein Kind in die Kita einzugewöhnen.

Die Mercator Stiftung fördert die Väter-Forschung der drei Unis mit 250.000 Euro. Meuser will dabei noch einer Spur nachgehen: „Wir haben für eine ältere Studie Paare interviewt und herausgefunden, dass Frauen es zwar schätzen, wenn Männer mehr Sorgearbeit übernehmen. Doch wenn sich Väter stärker beteiligen, bedeutet das auch, dass die Paare ihre häuslichen Einflussbereiche neu verhandeln müssen. Konkret heißt das: Die Frauen müssen Macht abgeben. Das wollen nicht alle.“