Brüssel. Der Kampf um Brüsseler Spitzenposten wird zur Hängepartie. Die EU-“Chefs“ können sich nicht auf ein Personalpaket einigen. Ein Sondertreffen für Ende August wurde angesetzt. Einigkeit gibt es hingegen in der Ukraine-Krise. Der Druck auf Moskau steigt.
Der EU-Gipfel ist mit seinem Paket für Brüsseler Spitzenposten gescheitert. Die Staats- und Regierungschefs wollen sich nun bei einem weiteren Sondertreffen am 30. August auf einen neuen Außenbeauftragten und einen neuen Ratspräsidenten einigen. Das kündigte Gipfelchef Herman Van Rompuy am frühen Donnerstagmorgen in Brüssel an.
"Wir waren noch nicht an einem Punkt, an dem eine Konsens-Lösung für das gesamte Paket der Nominierungen möglich war", bilanzierte der Belgier, dessen Mandat Ende November ausläuft. Der Gipfel einigte sich hingegen darauf, in der Ukraine-Krise den Druck auf Moskau zu erhöhen und nun auch verstärkt Unternehmen zu bestrafen.
Der sozialdemokratische italienische Premier Matteo Renzi wollte Außenministerin Federica Mogherini als Nachfolgerin von EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton durchdrücken. "Ich habe keinen Widerstand gegen Mogherini gesehen", meinte Renzi. Kritiker aus Osteuropa halten der seit Februar in Rom amtierenden Mogherini allerdings mangelnde Erfahrung und eine zu russlandfreundliche Haltung vor. Renzi äußerte deutliche Kritik am Gipfelmanagement: "Sie haben uns hierherkommen lassen für eine Einigung, die es dann nicht gegeben hat."
Merkel rechnet mit Einigung Ende August
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, es sei wichtig gewesen, bei dem Spitzentreffen eine erste Diskussion zu haben. "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir dann auch zu Entscheidungen kommen", betonte sie mit Blick auf den neuen Termin Ende August.
"Es ist ein bisschen unglücklich, aber nicht dramatisch, überhaupt nicht dramatisch", meinte Van Rompuy zu den Gipfelberatungen. Frankreichs Staatspräsident François Hollande sagte, es sei nicht vertieft über Personen debattiert worden.
Die Mitgliedstaaten sind laut Merkel aufgefordert, bis Ende Juli Vorschläge für ihre nationalen Kommissare zu machen. Berlin hatte bereits mitgeteilt, dass Günther Oettinger (CDU) in Brüssel bleiben soll. Oettinger leitet seit 2009 das Energieressort.
Das Europaparlament hatte am Dienstag den konservativen Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten gewählt. Merkel sagte, es gebe "eine gewisse Logik", dass nun der Posten des Außenbeauftragten, der auch Vizepräsident der Kommission ist, an die Sozialdemokraten gehe. Hollande meinte, der Posten müsse an eine Frau aus seinem Parteienlager gehen. Die Sozialdemokraten hatten bei der Europawahl Ende Mai als zweitstärkste Kraft abgeschnitten. Sie trugen auch zu Junckers Kür im Parlament bei.
Van Rompuy sagte, es sei nicht ausgemacht, dass es bei der Zusammenstellung der Juncker-Kommission Verzögerungen geben werde. Diese soll am 1. November ihre Arbeit aufnehmen.
Mit Blick auf Juncker sagte Van Rompuy: "Falls es ein Fehlstart ist, ist es nicht seine Verantwortung." Juncker muss die neue Kommission zusammenstellen. Die Kommissare sollen im Herbst im Europaparlament angehört werden - die Volksvertretung stimmt dann auch noch über das ganze Kollegium ab. Juncker fordert von den Mitgliedstaaten, mehr Frauen in die Brüsseler Chefetage zu entsenden. Die Kommission ist eine Art Geschäftsführung der EU, nur sie kann Gesetzesvorschläge machen.
Zu den EU-Topposten gehört auch ein hauptamtlicher Chef der Euro-Finanzminister. Der niederländische Chef-Kassenhüter Jeroen Dijsselbloem führt die Eurogruppe bisher im Nebenjob.
Sanktionen gegen russische Unternehmen
Der Gipfel beschloss erstmals Sanktionen gegen russische Unternehmen, wenn diese zur Destabilisierung der Ukraine beitragen. Die Union werde auch prüfen, ob milliardenschwere Oligarchen oder Konzerne, die die Annexion der Krim unterstützen, auf die schwarze Liste kommen, hieß es in einer Gipfelerklärung. Auch die USA beschlossen neue Russland-Sanktionen.
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Die EU-"Chefs" forderten in einer Erklärung einen dauerhaften Waffenstillstand in der Ukraine. Dort erschüttern Kämpfe zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten den Osten des Landes.
Die von Sanktionen betroffenen Unternehmen dürfen keine Geschäfte mehr mit EU-Konzernen machen und können nicht mehr über Vermögenswerte in der EU verfügen. Anzahl und Namen der Firmen blieben zunächst offen.
Die EU ist äußert unzufrieden, weil Moskau auf eine Aufforderung zum Deeskalieren der Lage nicht ausreichend reagierte. "Wir müssen heute feststellen, dass die Erwartungen eigentlich in allen Punkten nicht erfüllt worden sind", sagte Merkel nach den Beratungen. Sie feierte bei dem Spitzentreffen ihren 60. Geburtstag. (dpa)