Washington. . „Amerikas gegenwärtige Drohnen-Politik öffnet die Tür zu einer gefährlichen und instabilen Zukunft.“ Diese Kritik stammt von einer überparteilichen Expertengruppe in Washington. Die Kritik am Einsatz von Drohnen nimmt in den USA zu.
„Amerikas gegenwärtige Drohnen-Politik öffnet die Tür zu einer gefährlichen und instabilen Zukunft.“ Zu diesem Ergebnis der unter Präsident Barack Obama enorm ausgeweiteten Einsätze von ferngesteuerten unbemannten Flugkörpern zur Terrorabwehr kommen nicht etwa Menschenrechts-Organisationen oder Pazifisten. Die aktuelle Kritik stammt von einer überparteilichen Expertengruppe um General John P. Abizaid, der bis 2007 das Zentralkommando der US-Streitkräfte leitete, und der Jura-Professorin Rosa Brooks von der Georgetown Universität in Washington.
In einer Studie haben die Autoren, zu denen auch ehemalige CIA-Fachleute gehören, intensiv die Frage der Legitimität gezielter Tötungen auf fremdem Boden erörtert. Sie sind dabei auf die ernüchternde Erkenntnis gestoßen, dass rund ein Jahrzehnt nach dem ersten Einsatz bewaffneter Drohnen Amerika noch immer keine „Kosten-Nutzen-Analyse“ vorgenommen hat, wenn es um die die wachsende Automatisierung und Autonomisierung unbemannter Kampfsysteme geht.
Resultat: Die heute praktizierte Drohnen-Doktrin beschädigt „die Glaubwürdigkeit der USA, unterläuft die Rechtsstaatlichkeit und schafft einen möglicherweise destabilisierenden Präzedenzfall, den despotische Regime weltweit unzweifelhaft ausbeuten werden.“
Der Nachahmer-Effekt
Zur Verdeutlichung kreieren die Autoren den theoretischen Fall, bei dem Russlands Präsident Wladimir Putin in der Ukraine als gefährlich eingestufte Individuen mit Hilfe von Drohnen-Anschlägen töten lässt – und sich bei der Begründung eins zu eins der herrschenden Argumentation des Weißen Hauses bedient.
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Danach dürfen verdächtige Extremisten auf fremden Boden getötet werden, wenn sie eine akute Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen und es nicht möglich ist, sie gefangen zu nehmen. Beweise für die Anschuldigungen werden allerdings nie öffentlich. Fazit: Die USA könnten Putin (oder jeder anderen Regierung, die ähnlich verfahren würde) niemals glaubhaft in die Parade fahren.
Abizaid und Brooks stellen nicht in Abrede, dass der Einsatz von Drohnen „bedeutenden taktischen Erfolg in einigen Regionen“ gebracht hat, auch wenn dadurch weder das Erstarken sunnitischer oder schiitischer Terrornetzwerke eingedämmt worden wäre. Allerdings seien bei den bisher geschätzten 1000 Drohnen-Einsätzen nirgends „dauerhafte strategische Ziele“ erreicht worden. „Im Gegenteil. Blindes Vertrauen in gezielte Schläge abseits heißer Schlachtfelder produziert ein nennenswertes Risiko von Rückschlägen und eine noch stärkere Rekrutierungswelle von Terroristen“, heißt es in der Studie. Mit dieser Politik bewege sich Amerika auf einer „abschüssigen Bahn, die in dauerhafte oder noch größere Konflikte“ münden könne. Abizaid sorgt sich dabei insbesondere um den Nachahmer-Effekt.
Als Gegenmittel verlangt der ehemalige Vier-Sterne-General entschieden mehr Transparenz: So soll die exakte Zahl der Drohnen-Angriffe, ihre Örtlichkeit und die Zahl der Opfer und ihre Zugehörigkeit zu etwaigen Netzwerken regelmäßig von der Regierung veröffentlicht werden. Bisher gibt es nur Schätzzahlen von unabhängigen Organisationen wie dem „Long War Journal“, die allein für Pakistan binnen der vergangenen zehn Jahren von rund 450 Drohnen-Angriffen mit über 3500 Toten ausgehen.
Gefahr für Zivilbevölkerung
Auch über das genaue Ausmaß der Kollateralschäden in der Zivilbevölkerung, so Abizaid, dürfe von offizieller Seite nicht länger geschwiegen werden. Darüber hinaus müsse Präsident Obama ein überparteiliches und unabhängiges Gremium schaffen, das sämtliche Drohnen-Einsätze nachträglich untersucht. Schließlich verlangen die Autoren, dass die USA eine Führungsrolle bei dem Bemühen übernimmt, international bindende Normen für den Einsatz „tödlicher Gewalt außerhalb klassischer Kriegsschauplätze“ festzulegen. Ein Grund unter vielen: Die verbreitete Auffassung, wonach der Einsatz von raketenbestückten Drohnen im Militär eine Art „PlayStation-Mentalität“ befördere und Kriegsgeschehen in ein Videospiel verwandele, sei von der Realität nicht gedeckt.