Tripolis. . Abtrünnige Soldaten wollen islamistische Milizen vertreiben und stürzen Libyen ins Chaos. Die Regierung ist zu schwach zum Handeln. Und keine bewaffnete Gruppe ist stark genug, die Macht ganz zu übernehmen. Libyen gleiche einem Pulverfass, sagen gemäßigte Abgeordnete.

Seit dem Wochenende erlebt Libyen die schwersten Kämpfe seit dem Sturz von Diktator Muammar Gaddafi vor zweieinhalb Jahren. Mindestens 70 Menschen wurden bisher in Tripolis und Benghasi getötet, Hunderte verletzt.

Bewaffnete stürmten das Parlamentsgebäude in der Hauptstadt, setzten Büros in Brand. Anschließend trat ein Oberst in Uniform in einem privaten TV-Sender auf und erklärte angeblich im Namen der Armee, das Parlament sei aufgelöst und die Regierung abgesetzt.

Regierung spricht von Putschversuch

Verantwortlich für die Eskalation ist der pensionierte General Khalifa Haftar, der mit ihm ergebenen Verbänden einen eigenen Feldzug gegen islamistische Rebellenbrigaden ausgerufen hat. „Wir werden Libyen von Extremisten säubern“, gab er als Parole aus.

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Einer seiner Mitstreiter denunzierte das Parlament als „den wichtigsten Verbündeten des Terrorismus“. Wie viel Rückhalt Haftar in der Bevölkerung und der Armee hat, ist unklar. Im Februar hatte er schon einmal in Libyen einen „Krieg gegen den Terror“ ausgerufen – ohne wirkliche Resonanz.

Die Regierung bestritt am Montag ihre Entmachtung und sprach von einem Putschversuch. Doch das Parlament ist tief gespalten in säkulare und islamistische Kräfte. Die wahren Herren im Land sind die Milizen und ihre Chefs, die für viele Morde an Offizieren, Richtern, Politikern und Ausländern verantwortlich sind.

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Eine Studie des amerikanischen „Atlantic Council“ schätzt, dass inzwischen mehr als 250.000 Mann solchen Verbänden angehören, obwohl 2011 im Bürgerkrieg gegen Gaddafi lediglich 30.000 Kämpfer aktiv beteiligt waren. „Libyen ist ein Vulkan kurz vor der Explosion“, erklärte der gemäßigte Abgeordnete Tawfik Breik von der „Nationalen Allianz“. „Es gibt kein wirkliches Parlament in Libyen, es gibt keine wirkliche Regierung. Das einzige, was es gibt, sind überall Milizen.“