Moskau/Washington. Die russische Armee hat angekündigt, nach Manövern an der Grenze zur Ukraine wieder abzuziehen. Das beteuerte der russische Verteidigungsminister im Gespräch mit seinem US-Kollegen. Nato-Beobachter konnten am Dienstag aber noch keinen Rückzug erkennen.

Die an Manövern an der ukrainischen Grenze beteiligten russischen Truppen sind nach Darstellung von Verteidigungsminister Sergej Schoigu an ihre Standorte zurückgekehrt. Das sagte Schoigu am Montagabend während eines Telefonats mit seinem US-Kollegen Chuck Hagel, wie die Agentur Interfax berichtete. Grund für den Abzug der Truppen sei die Beteuerung aus Kiew, die ukrainische Armee "nicht gegen unbewaffnete Zivilisten" im Osten des Landes einzusetzen. Russland hatte Mitte April zusätzliche Einheiten an die Grenze zur Ukraine zu "Manövern" verlegt.

Die Nato hat den Angaben des Verteidigungsministers widersprochen. "Wir haben die Erklärung des russischen Verteidigungsminister gesehen", sagte ein Nato-Diplomat im militärischen Hauptquartier in Mons (Belgien) am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. "Wir haben derzeit keine Informationen, die auf einen Abzug russischer Truppen von der ukrainischen Grenze hindeuten." Die Nato fordere Russland "weiterhin auf, gemäß der Vereinbarung von Genf zugunsten von Diplomatie und Dialog alle Truppen entlang der ukrainischen Grenze abzuziehen".

Situation "bleibt gefährlich"

Laut einer Mitteilung des US-Verteidigungsministeriums versicherte Schoigu in dem Telefonat, dass russische Truppen nicht in die Ukraine eindringen würden. Die Situation bleibe "gefährlich", sagte Hagel der Mitteilung zufolge, und drängte auf einen "verantwortungsvollen Weg nach vorn". Die frühere Sowjetrepublik habe das Recht, innerhalb seiner Landesgrenzen Recht und Ordnung herzustellen, sagte Hagel.

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Zudem bat er seinen russischen Amtskollegen um Unterstützung bei der Freilassung des festgehaltenen Teams von OSZE-Militärbeobachtern, zu dem auch vier Deutsche gehören. Beide Minister erkannten die Notwendigkeit für "fortlaufende Gespräche" in der Krise um das osteuropäische Land.

Die Bundesregierung verlangte vom selbst ernannten Bürgermeister der Separatisten-Hochburg Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, das Team "unverzüglich, bedingungslos und unversehrt" freizulassen. Ponomarjow lassen solche Appelle bislang jedoch kalt.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier forderte in einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow mehr Engagement von der Regierung in Moskau, um die Gefangenen freizubekommen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verlangte die Freilassung der OSZE- Beobachter, "unverzüglich, unverletzt und ohne Bedingungen".

Die Separatisten werfen ihren Gefangenen "Spionage für die Nato" vor und erwägen einen Austausch mit inhaftierten Gesinnungsgenossen. Die prowestliche Regierung in Kiew lehnt dies ab.

EU und USA verhängen Sanktionen gegen Regierungsmitglieder

Die EU und die USA machten am Montag ihre Drohungen wahr und verhängten neue Sanktionen gegen russische Regierungsmitglieder, Unternehmen und Manager. Die US-Regierung bezeichnete die zusätzlichen Einreiseverbote und Kontensperrungen als "Antwort auf Russlands anhaltende illegale Intervention in der Ukraine und provokative Handlungen, die der Demokratie in der Ukraine schaden". Statt seine Verpflichtungen aus dem Genfer Friedensplan vom 17. April zu erfüllen, habe Moskau die Krise gar noch angefacht. Prominente Namen auf der US-Liste sind etwa Vizeregierungschef Dmitri Kosak und der Chef des staatlichen Ölkonzerns Rosneft, Igor Setschin.

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Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow sprach nach Angaben der Agentur Interfax von einem "Realitätsverlust" der USA. Der Sanktionstext verkenne vollständig die Vorgänge in der Ukraine. Der Minister kündigte Gegenmaßnahmen an.

Der ukrainische Übergangsministerpräsident Arseni Jazenjuk hofft indes auf eine Reaktion Russlands auf die neuen Sanktionen. Nur, wenn die internationale Gemeinschaft gemeinsam handle, könne Moskau dazu gebracht werden, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und internationale Gesetze zu achten. "Das ist unsere einzige Chance. Die einzige Chance für mein Land und meine Regierung zu überleben", sagte Jazenjuk im Interview der Deutschen Welle.

Die USA stimmten sich in der Sanktionsfrage mit den Europäern ab. Die Regierungen der 28 EU-Staaten beschlossen am Montag Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen 15 Personen, wie der EU-Ministerrat in Brüssel mitteilte. Damit wächst die Gesamtzahl der von solchen EU-Maßnahmen betroffenen Russen und prorussischen Ukrainer auf 48.

Zunächst blieb unklar, wer auf die ergänzte EU-Sanktionsliste gesetzt wurde. Diese wird aller Voraussicht nach erst am Dienstagvormittag im EU-Amtsblatt veröffentlicht, wie es in Brüssel hieß. (dpa)