Parteien spielen im Wahlkampf mit Ängsten der Bürger
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Essen. Statt auf eigene Erfolge hinzuweisen und Ziele für die Zukunft aufzuzeigen, machen die aktuellen Wahlplakate oftmals gezielt Stimmung mit Ängsten der Bürger. War dies bislang eine von kleinen Parteien geübte Praxis, greifen im Kommunal-Wahlkampf auch etablierte Parteien auf diese Methode zurück.
Kaum länger als zwei bis drei Sekunden nimmt sich ein Passant Zeit für ein Wahlplakat, wissen Werbepsychologen. In dieser kurzen Zeitspanne muss es beim Betrachter „klick!“ gemacht haben – oder die Botschaft verpufft. Auffallend ist, dass einige Kampagnen gezielt an die Gefühle der Menschen appellieren und mit möglichst aggressiven Parolen Ängste wecken wollen, um die Bürger zur Wahl ihres Kandidaten zu motivieren.
Wiederkehrende Themen sind in dem aktuellen Europa- und Kommunalwahlkampf die Furcht vor Überfremdung und Zuwanderung, die Brüsseler Bürokratie und die vermeintliche „Fremdbestimmung“ durch einen anonymen Verwaltungs-Apparat sowie die Angst vor Kriminalität und Gewalt.
Die kleinen Parteien brauchen Aufregung
Verpackt werden diese Themen in Slogans wie „Keine Macht den Eurokraten“ (AfD), „Eine Europa der Demokratie. Nicht der Bevormundung“ (SPD) oder „Armut stoppen! Reichtum teilen“ (Linke). Kräftiger langen die Parteien von den Rändern des politischen Spektrums zu: „Bürgerwut stoppt Asylantenflut“ plakatiert etwa das rechtsextremischische Bündnis Pro NRW. Der von „Wohlfühl-Wahlkämpfen“ eingeschläferte Bürger reibt sich die Augen.
Polit-Prominenz und Schnurrbart-Bingo auf Wahlplakaten
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Dass kleine Parteien mit aggressiven Parolen auf sich aufmerksam machen wollen, sei nicht unüblich, meint Martin Florack, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen. „Die Kleinen brauchen die Aufregung. Das Schlimmste, was ihnen passieren kann, ist, wenn sich niemand über sie aufregt.“ Sie arbeiten daher häufig mit Parolen, die Vorurteile und Ressentiments bedienen. Bei den großen Parteien verbiete sich indes eine solche Strategie. Dennoch sei die CDU in Duisburg offenbar diesen Weg gegangen, „das schreckt das klassische Wählerklientel eher ab“, glaubt Florack.
Spiel mit der Bedrohung
Auf der anderen Seite versuchen die Parteien, mit Schreckens-Szenarien die Bürger mit ihren Sorgen und Ängsten abzuholen, glaubt Henrik Schober, Journalist und Politikwissenschaftler an der Hertie School of Governance in Berlin. „Ordnung und Sicherheit sind Grundbedürfnisse, die für viele Menschen auch in ihrer Wahlentscheidung sehr wichtig sind. Dies greifen die Plakate auf, indem sie Bilder zeigen, die mit Verunsicherung einhergehen.“ Etwa der bedrohliche Einbrecher (Bürgerliste Dortmund) oder die Schlaglöcher in den Straßen (FDP).
Dies nutze vor allem Parteien, die für traditionelle und konservative Werte stehen. Zudem werde der Eindruck vermittelt, die jeweilige Partei kenne die Sorgen der Menschen und wisse um die beste Lösung. Das Spiel mit der Bedrohung durch mögliche Krisen funktioniere selbst in guten und sicheren Zeiten. Dann legen es die Wahlplakate darauf an, den Bürgern zu vermitteln: Das kann sich alles ganz schnell wieder ändern.
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