Nürnberg/Berlin. Pedantisch und bürokratisch - mit diesen Vorwürfen sehen sich immer wieder Jobcenter-Mitarbeiter beim Anwenden von Hartz-IV-Regeln konfrontiert. Das will das Arbeitsministerium nun ändern. Vorschläge für eine kleine Hartz-IV-Reform liegen bereits auf dem Tisch.
Weniger Bürokratie, aber auch teils härteres Vorgehen gegen Jobverweigerer - neun Jahr nach dem Start von Hartz IV will das Bundesarbeitsministerium zahlreiche Regeln im entsprechenden Sozialgesetzbuch neu fassen. Die Mitarbeiter in den Jobcentern sollten sich wieder mehr auf die Vermittlung von existenzsichernder Arbeit konzentrieren können, begründete BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt das Vorgehen.
Die Vorschläge einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe sähen in vielen Punkten Klarstellungen vor, die bislang immer wieder zu Widersprüchen und Klagen führten, erläuterte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA) am Mittwoch ergänzend. Über die Vorschläge hatte auch die "Bild"-Zeitung (Mittwoch) berichtet.
Weniger Bürokratie als Zielvorstellung
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums trägt die gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund und Ländern seit vergangenem Jahr Vorschläge zur Rechtsvereinfachung bei Hartz IV zusammen. An der Expertenrunde, die ihre Arbeit in diesem Jahr abschließen wolle, seien auch die Bundesagentur und Kommunen beteiligt.
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Nach Abschluss der Arbeit werde die Regierung entscheiden, welche der Vorschläge umgesetzt werden. "Zur Zeit gibt es noch keine Festlegungen", hieß es weiter. Grundsätzlich solle durch die Überprüfung auch "weniger Bürokratie und mehr Zeit für die Betreuung der Hilfebedürftigen" erreicht werden. "Es ist explizit nicht Ziel der Änderungen, den Leistungsbezug restriktiver (härter) zu gestalten."
Wohlfahrtsverband kritisiert geplante Reform
Als "menschenfern" kritisierte der Paritätische Wohlfahrtsverband die Pläne. Mit der angekündigten Verschärfung von Sanktionen sowie neuen Restriktionen bei der Übernahme von Wohnkosten würde sich die Situation für viele Betroffene verschlimmern, betonte der Verband.
Die Linke-Fraktion im Bundestag sprach sich dafür aus, Hartz-IV-Sanktionen komplett abzuschaffen. Die Grünen begrüßten zwar die geplante Entbürokratisierung von Hartz IV; dies dürfe aber nicht zu Verschärfungen durch die Hintertür führen.
Was sich für Hartz-IV-Empfänger konkret ändern soll
Im Einzelnen hat sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf folgende Neuerungen verständigt:
- Zieht ein Hartz-IV-Empfänger in eine teurere, aber nicht größere Wohnung um, zahlt das örtliche Sozialamt weiterhin nur die alte, niedrigere Miete.
- Wer dreimal einen Termin bei seinem Jobcenter versäumt, dem wird künftig die Hartz-IV-Leistung komplett gestrichen. Bisher hatten die Jobcenter in einem solchen Fall nur einen Teil der Grundsicherung einbehalten.
- Mit der Einführung einer sogenannten Bagatellgrenze sollen Harz-IV-Bezieher, die zu viel Unterstützung bekommen haben, künftig Beträge unter 50 Euro nicht mehr zurückzahlen müssen.
- Jobcenter sollen Hartz-IV-Empfängern künftig auch ohne aufwendigen Kreditvertrag ein Darlehen etwa für den Austausch einer defekten Waschmaschine gewähren können.
- Wer sein Einkommen oder sein Vermögen verprasst, soll dafür von den Jobcentern nach der geplanten Neuregelung leichter in Haftung genommen werden können.
- Hartz-IV-Empfänger sollen in Zukunft unter erleichterten Bedingungen einen Vorschuss vom Jobcenter erhalten; bisher war dafür ein Darlehensvertrag notwendig.
- Alleinerziehende, die ohnehin von der Jobvermittlung befreit sind, sollen künftig ihrem Jobcenter etwa im Krankheitsfall keine Krankmeldung mehr vorlegen müssen.
- Zahlt das Jobcenter irrtümlich einem verstorbenen Hartz-Empfänger weiter Arbeitslosengeld II, müssen künftig die Banken das Geld zurücküberweisen. Bisher hatten sich die Jobcenter an die Hinterbliebenen gewandt.
(dpa)