Siegen. Die rechte Szene hat das Internet längst für sich entdeckt und geht mit neuen Strategien auf Mitgliederfang. Christoph Busch, Politikwissenschaftler an der Uni Siegen, erklärt, mit welchen Tricks die Rechten im Netz Kontakte knüpfen und wie man dagegen vorgehen kann.

Welche Strategien verfolgen Rechtsradikale im Internet?

Dr. Christoph Busch: Da gibt es unterschiedliche Strategien, je nachdem, welche Akteure online sind. Besonders extreme Rechte, freie Kameradschaften und autonome Nationalisten nutzen beispielsweise das Internet um Propaganda über Anonyme zu verbreiten. Das machen sie dann über ausländische Server, um nicht erkannt zu werden. Andere nutzen das Netz um die Blockade der etablierten Medien überwinden können. So können sie eine Gegenöffentlichkeit etablieren, Wähler gewinnen oder ihre Ansichten an die Öffentlichkeit bringen. Eine dritte Strategie besteht darin, in den Mainstream reinzukommen wie bei Studivz oder Wikipedia. Dort wird versucht, in normale Diskussionen zu gelangen und dort den Diskurs zu verschieben. Bei einer Diskussion um den 2. Weltkrieg wird dann beispielsweise gefordert, auch das Positive an der Wehrmacht zu sehen. Hier wird versucht, Geschichte oder bestimmte Deutungen der Gesellschaft umzuschreiben.

Haben sich diese Strategien durch das Web 2.0 geändert?

Busch: Dazu fällt mir ein aktuell diskutiertes Stichwort ein: Erlebniswelt Rechtsextremismus. Die rechte Szene setzt sehr stark darauf, durch das Internet die Jugendlichen anzusprechen. Dabei kommen sie nicht mehr sofort mit der Ideologie, sondern über die Unterhaltungsschiene, sie treten also mit subkulturellen Elementen auf. Wie mit Rechtsrock-Videos auf Youtube. Sie versuchen, sich in soziale Netzwerke einzuklinken und rechte Gruppen aufzumachen, die satirisch mit irgendwelchen Sachen hantieren. Eine Methode ist auch, Kampagnenseiten aufzubauen, die sozial harmlos sind. So versucht die rechte Szene, subkulturelle Szenen anzusprechen, die man für rassistische Propaganda für empfänglich hält.

Worin liegen die Gefahren dieser Strategien?

Busch: Die Gefahr ist ganz eindeutig, dass die Rechtsextremen nicht mehr versuchen, nur über die Ideologie an Leute heranzutreten, sondern über Unterhaltungsangebote. Sie bieten unpolitisch etwas an, die Ideologie bleibt im Hintergrund und kommt erst subtil rüber. Rechtsextremismus wird zwar in der Gesellschaft stigmatisiert, aber die Hauptgefahr liegt in dieser Subkultur. Das Internet ist eine Komponente in dem Mix der rechten Strategien. Die Kommunikation läuft bei der Jugend zu einem großen Teil online ab. Die Rechten haben das erkannt und beziehen es in ihre Überlegungen mit ein.

Wie kann man gegen die Verbreitung rechter Inhalte vorgehen?

Busch: Man muss dabei nicht unbedingt im Internet ansetzen. Demokratiebildung, Demokratieerziehung, die Jugendlichen ernst zu nehmen und in der Gesellschaft zu integrieren – das ist Primärprävention. Wenn das klappt, dann werden besondere Maßnahmen für das Internet nicht mehr nötig sein. Es gibt bereits Maßnahmen für das Netz, die aber Probleme mit sich bringen. Wie die Diskussion um Sperrungen von Seiten. Generell finde ich medienpädagogische Maßnahmen sinnvoll. Also mit Schülern und Jugendlichen ihre kritische Medienkompetenz zu stärken. Sie müssen lernen, wie sie mit Texten im Netz umgehen und dürfen nicht alles Eins zu Eins glauben. Schließlich dürfen sie nicht alles für die bare Münze nehmen, was sie lesen. Es gehört auch dazu, dass sie lernen, welche Werte in Subkulturen transportiert werden, was vermittelt wird. Dann müssen sie für sich entscheiden: Möchte ich das?

Finden die Strategien der Rechten heute allgemein mehr Anklang als noch vor einigen Jahren?

Busch: Insofern, dass das Internet eben auch bei den Rechtsextremen eine größere Verbreitung gefunden hat und mehr Funktionen integriert. Es ist einfacher, sich einzubringen, in die Mitte der Gesellschaft zu kommen und sie anzusprechen. Eine konkrete rechte Internetseite wird von wenigen angesteuert, aber durch ansprechende Gruppen in sozialen Netzwerken können die Rechten leichter mit den Menschen in Kontakt kommen. Medien konvergieren, die Mitmachfunktion wurde gestärkt. Das nutzt die rechte Szene heute geschickter und besser. Sie kann die Jugendlichen heute leichter erreichen und überzeugen. Das Internet bietet eine Plattform für Rechts, die es so vorher nicht gegeben hat. Rechte CDs müssen heute nicht mehr unter der Ladentheke verkauft werden.

Warum ist es allgemein wichtig, gegen Rechts vorzugehen und nicht wegzuschauen?

Busch: Man muss sich die grundlegende Frage stellen: In was für einer Gesellschaft möchte ich leben? In einer Gesellschaft, die die Würde des Menschen achtet und ihn nicht nach Rasse, Hautfarbe und ethnischer Zugehörigkeit in seinem Wert sortiert? Wenn man das möchte und ein solches Zusammenleben für eine lebenswerte Vorstellung hält, sollte man sich auch dafür einsetzen.