Kiew/Washington. Die Ukrainekrise ist längst nicht ausgestanden. Die Fronten zwischen Washington und Moskau sind weiterhin verhärtet, ein blutiger Zwischenfall in der Ostukraine gefährdet die Umsetzung der Genfer Friedensvereinbarung. US-Vize Biden sagte Kiew diverse Hilfen zu - unter anderem bei Gaslieferungen.

US-Vizepräsident Joe Biden hat der krisengeschüttelten Ukraine bei einem Besuch in Kiew politische und wirtschaftliche Unterstützung versprochen. So wollten die USA der nahezu bankrotten Ukraine dabei helfen, unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu werden. Moskau hatte zuletzt die Gaspreise für Kiew deutlich erhöht.

Biden forderte die neue prowestliche Führung zugleich auf, stärker das "Krebsgeschwür der Korruption" zu bekämpfen. Der US-Vizepräsident betonte, die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl sei die wichtigste Abstimmung in der Geschichte der Ex-Sowjetrepublik. Wegen der Unruhen im russisch geprägten Osten gilt die Abstimmung als gefährdet.

Aufruf zur nationalen Einheit

Biden traf sich am Dienstag in der ukrainischen Hauptstadt mit Übergangspräsident Alexander Turtschinow und Regierungschef Arseni Jazenjuk sowie mit Parlamentariern aus allen Regionen des Landes. Dabei wollte er prowestliche und prorussische Kräfte zur nationalen Einheit und zur gemeinsamen Arbeit an einer neuen Verfassung aufrufen, welche die Erwartungen aller Ukrainer berücksichtigt.

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Die USA drohen Russland mit weiteren Sanktionen, falls Moskau nicht rasche Schritte zur Verwirklichung des vereinbarten Friedensfahrplans für die Ukraine unternehme. "Falls sie in den nächsten Tagen keine konkreten Schritte unternehmen, wird es Konsequenzen geben", sagte Jen Psaki, Sprecherin des Außenamts in Washington.

Russland soll Separatisten zum Rückzug drängen

US-Außenminister John Kerry forderte in einem Telefongespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow Moskau insbesondere auf, auf die Separatisten in der Ostukraine Einfluss auszuüben, damit diese illegal besetzte Gebäude räumen und Straßenkontrollen aufgeben. Moskau solle zudem einen Vertreter für die Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine benennen.

Psaki sagte zu jüngst in Kiew bekanntgewordenen Fotos über russische Separatisten in der Ostukraine: "Dies sind lediglich weitere Hinweise auf eine Verbindung zwischen Russland und den bewaffneten Milizen."

USA drohen Putin mit "weiteren Kosten"

Russische Beschuldigungen, dass die Zentralregierung in Kiew den Friedensfahrplan, der vor kurzem in Genf beschlossen wurde, nicht einhalte, spreche den Fakten Hohn, sagte Psaki weiter.

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In Washington sagte der Sprecher des Weißen Haus, Jay Carney, die USA beobachteten die Lage in der Ostukraine sehr genau. Er drohte Russland "weitere Kosten" an, sollte Russland die Genfer Vereinbarungen nicht umsetzen. Es gehe nun um konkrete Schritte, um die Lage zu stabilisieren. Eine Frist wollte er aber auf Nachfragen von Journalisten nicht setzen.

Russland argumentiert weiter mit Rechtem Sektor

Lawrow forderte von Kerry, dass er die Kiewer Regierung zur Mäßigung anhält. Kerry müsse dafür sorgen, dass die "Hitzköpfe" in Kiew keinen blutigen Konflikt im russisch geprägten Osten und Süden der Ex-Sowjetrepublik provozierten, teilte das Außenamt in Moskau am Montagabend nach einem Telefonat der Minister mit.

Lawrow betonte demnach, die ukrainische Führung müsse ihre Verpflichtungen aus dem Genfer Friedensbeschluss erfüllen. Er warf Kiew erneut "Widerwillen" vor, Gewalt seitens ultranationalistischer Gruppen wie dem Rechten Sektor zu beenden.

Sigmar Gabriel appelliert an China

In einem Telefonat mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betonte Lawrow nach Ministeriumsangaben die Bedeutung der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine. Es sei wichtig, das OSZE-Mandat auszuweiten, um Spannungen im Osten und Süden abzubauen. In mehreren Städten der Region halten moskautreue Bewaffnete staatliche Gebäude besetzt.

Deutschland will China erneut auffordern, seinen Einfluss auf Russland für eine Verhandlungslösung im Ukraine-Konflikt zu nutzen. "Natürlich werden wir die Chinesen bitten, ihrer gewachsenen internationalen Verantwortung auch gerecht zu werden und sich einzumischen", sagte Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag in Peking vor einem Treffen mit dem chinesischen Ministerpräsident Li Keqiang. Peking müsse Moskau deutlich machen, dass Völkerrecht und die Integrität von Grenzen geschützt werden müssten.

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Wohl mehrere Tote in Ostukraine

Ein blutiger Zwischenfall mit Toten und Verletzten in der Ostukraine gefährdet die Umsetzung der Genfer Friedensvereinbarung. Trotz einer angekündigten Waffenruhe über die Ostertage wurden bei einem Angriff auf einen Kontrollpunkt prorussischer Aktivisten nahe der Stadt Slawjansk mehrere Menschen getötet.

Die moskautreuen Kräfte sowie russische Staatsmedien sprachen von mindestens fünf Toten bei dem Zwischenfall in Slawjansk. Das Innenministerium in Kiew bestätigte drei Tote und betonte, es habe keinen offiziellen Einsatz in der Gegend gegen die bewaffneten Aktivisten gegeben. Vielmehr seien zwei Bürgergruppierungen aufeinander losgegangen.

Prorussische Kräfte beherrschen die Stadt. Dort wurde die prowestliche Aktivistin und Journalistin Irma Krat von Milizionären festgenommen. Ihr wird Mitgliedschaft im ultranationalistischen Rechten Sektor vorgeworfen. (dpa)