Moskau. . Russlands Außenminister Lawrow wirft der Regierung in Kiew die Verletzung des Genfer Abkommens vor. Doch Beobachter zweifeln, ob der Überfall von Sonntagnacht wirklich so stattgefunden hat. Tatsächlich ist bisher nur ein Todesopfer identifiziert.
Die ostukrainische Krise spitzt sich wieder zu. Am Montag äußerte sich der russische Außenminister Sergej Lawrow in Moskau zu den Berichten über eine Attacke schwerbewaffneter ukrainischer Nationalisten auf eine Straßensperre am Stadtrand von Slawjansk, bei der in der Nacht auf Sonntag fünf Menschen getötet worden sein sollen. „Das ist ein Verbrechen, das denen nutzt, die die Erfüllung der Genfer Vereinbarungen verhindert wollen“, zitiert ihn die Agentur RIA Nowosti. Russland werde die verbrecherische Politik, die auf die Entfesselung eines Bürgerkrieges in der Ukraine ziele, nicht nur verurteilen, sondern auch unterbinden.
Am Vortag hatte Wjatscheslaw Ponomarjow, der separatistische „Volksbürgermeister“ von Slawjansk, anlässlich der Schießerei Russland gebeten, „Friedenstruppen zur Verteidigung der friedlichen Bevölkerung in die Gebiete Donezk, Charkow und Lugansk zu entsenden“.
Ein deutsches Maschinengewehr
Nach Angaben des kremlnahen russischen TV-Kanals Lifenews tauchten die Angreifer gegen drei Uhr nachts in vier Jeeps vor einer der Slawjansker Straßensperren auf, eröffneten ein wildes Feuer mit Dumdumgeschossen auf die 26 unbewaffneten Zivilisten, die an der Barrikade Wache hielten. Sie töteten drei von ihnen. Herbeigeeilte Selbstverteidigungskämpfer wehrten die Attacke ab, erschossen dabei laut Lifenews zwei der Angreifer, die bei ihrer Flucht zwei Geländewagen stehen ließen.
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Dort fanden sich ein deutsches Maschinengewehr, amerikanische Dollarnoten und Nachtsichtgeräte sowie eine Visitenkarte Dmitri Jaroschs, des Führers der radikalnationalistischen Kampforganisation „Rechter Sektor“. Später präsentierte Lifenews noch einen Gefangenen mit einem blau geschlagenen Auge, der sich als 21-jähriger Aktivist des „Rechten Sektors“ aus der westukrainischen Stadt Winniza vorstellte.
Umstände weiterhin unklar
Allerdings zweifeln Einwohner von Slawjansk, ob der Überfall wirklich stattgefunden hat. „Da sind mythische Bandera-Faschisten vorgefahren, um sich dämlich zusammenschießen zu lassen“, spottet der proukrainische Unternehmer Alexander im Gespräch mit dieser Zeitung. „Jeder hier weiß, dass das die russischen Besatzer unserer Stadt selbst organisiert haben.“
Tatsächlich ist bisher nur ein Todesopfer identifiziert, nach Angaben Slawjansker Bürger ein 52-jähriger aus dem Dorf Alexandrowka. Es ist fraglich, wie und wo er ums Leben kam, und ob es weitere Leichen gegeben hat, das örtliche Krankenhaus lehnt alle Kommentare ab. CNN-Reporter, die die Telefonnummer auf der mutmaßlichen Jarosch-Visitenkarte anriefen, erreichten nur eine ahnungslose Frau in Kiew.
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Borislaw Berjosa, der Sprecher des „Rechten Sektors“ sagte, sein Verband habe nichts mit dem Vorfall zu tun. Unklar ist auch, wie es den vier Geländewagen, die laut Lifenews mit jeweils fünf bis sieben schwerbewaffneten Kämpfern besetzt waren, gelang, andere Straßensperren der Separatisten in der Region zu passieren.
Wille zur Deeskalation notwendig
Der ukrainische Militärexperte Dmitri Tymtschuk schreibt auf seiner Facebook-Seite, die Separatisten hätten die Schießerei selbst inszeniert, dafür vier Pkw gestohlen. „Diese Diversion gehört zum allgemeinen Plan der politischen Führung Russlands, die Bedingungen für einen militärischen Einfall in der Ukraine zu schaffen.“
Russische Beobachter dagegen glauben, hinter dem Angriff könnten radikale ukrainische Gruppen stecken, die Russland zu einem Einmarsch und damit zu einem offenen Konflikt mit dem Westen provozieren wollten. „Alles hängt davon ab, ob die Verantwortlichen in Kiew, Moskau und der Ostukraine den Willen besitzen, eine Eskalation zu verhindern“, sagt der russische Politologe Alexander Tewdoi-Burmuli.