Kabul. . Tote und Verletzte bei zahlreichen Angriffen der Taliban während der Präsidentschaftswahl. Trotz Anschlagsdrohungen der Taliban haben am Samstag zahlreiche Afghanen einen Nachfolger für den scheidenden Präsidenten Karsai gewählt. Viele Wahllokale blieben jedoch aus Sicherheitsgründen geschlossen.

Laut internen Resultaten der Präsidentschaftskandidaten machen der frühere Finanzminister Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah, bis vor sechs Jahren Außenminister von Afghanistan, das Rennen unter sich aus. Der amtierende Außenminister Salmai Rassoul, der als Lieblingskandidat des ausscheidenden Amtsinhabers Hamid Karzai galt, landet abgeschlagen auf dem dritten Platz. „Das Staatsoberhaupt hat offenbar darauf verzichtet, seine Einflussmöglichkeiten für Rassoul in die Waagschale zu werfen“, sagte ein asiatischer Diplomat gegenüber dieser Zeitung.

Der Wahltag am Samstag war durch eine unerwartet hohe Wahlbeteiligung in den Städten, leere Wahllokale auf dem Land und zahlreiche bewaffnete Zwischenfälle gekennzeichnet. Kabuls Innenministerium sprach von 140 Attacken mit 16 Toten. Die Internationalen Sicherheitskräfte ISAF führten 109 Zwischenfälle auf, 54 von ihnen bewaffnete Zusammenstöße zwischen afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban. In Kunduz und Umgebung, wo bis zum vergangenen Jahr die Bundeswehr-Truppen stationiert waren, beschossen die radikalislamischen Milizen Wahllokale.

Hunderte Wahllokale geschlossen

Seit Schließung der Wahllokale am Samstag mehren sich zudem Berichte von Attacken aus Büro und Fahrzeugkolonnen der Wahlkommission. 748 Wahllokale waren schon vor dem der dritten Präsidentschaftswahl seit dem Jahr 2001 aus Sicherheitsgründen geschlossen worden. Am Wahltag mussten weitere 211 ihre Türen schließen.

Bislang ist unklar, ob einer der Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht. Sollte der offenbar führende Ashraf Ghani, ein ehemaliger Ökonom der Weltbank, nicht über 50 Prozent der Stimmen kommen, wird laut Verfassung eine zweite Runde fällig. Abdullah und Ghani hatten bereits Wochen vor dem Urnengang am Samstag bei einem Treffen im Haus von Salahuddin Rabbani, Sohn des von den Taliban ermordeten früheren afghanischen Präsidenten Burhanuddin Rabbani, die Möglichkeit einer gemeinsamen Regierung der Nationalen Einheit sondiert. Sie vertagten Verhandlungen aber auf die Zeit nach der Wahl.

Hoffen auf ein Ende der Misswirtschaft

Ghani, eine Paschtune aus dem Osten Afghanistans, gilt als Technokrat. Viele Afghanen hoffen, dass er die durch Misswirtschaft und Korruption geprägte Karzai-Zeit mit einer effektiven und geradlinigen Regierungsform ersetzt. Abdullah Abdullah gilt als Mann des afghanischen Nordens mit starkem Rückhalt bei den ethnischen Gruppen der Tadschiken und bei den schiitischen Hazara. In der südafghanischen Stadt Kandahar geboren, halten die Paschtunen, die etwa 42 Prozent der 30 Millionen Afghanen stellen, wegen seiner politischen Verwurzelung im Norden eher auf Distanz Abdullah.

Ein Kompromiss zwischen den beiden Spitzenreitern wird durch einen Fehler der afghanischen Wahlkommission IEC gefährdet. In 15 Provinzen gingen teilweise schon gegen Mittag in zahlreichen die Stimmzettel aus. Zumindest im Westen von Kabel lieferte die Wahlkommission keinen Nachschub.

Wahlzettel fehlten

Abdullah erklärte bereits am Wahlabend: „Ich spreche hier für für die vielen Wähler, die ihre Stimme nicht abgeben konnten. Hunderte meiner Anhänger konnten nicht wählen, weil Wahlzettel fehlten. Sollten nur wenige Stimmen über Sieg und Niederlage zwischen Ghani und Abdullah entscheiden, bedrohen die mangelnden Stimmzettel einen Kompromiss. Abdullah machte vor der Wahl deutlich: „Ich bleibe stehen bis zuletzt.“ Ghani hingegen erklärte: „Sollte ich gewinnen, verspreche ich eine Regierung, die alle einschliesst.“