Genf/Minia/Kairo. Nach Einschätzung der UNO stellen die 529 Todesurteile gegen Anhänger der Muslimbruderschaft in Ägypten einen Bruch der Menschenrechte dar. Die Rechte der Angeklagten seien grob missachtet worden. Einen Tag nach den Urteilen wurde ein Verfahren gegen 700 weitere mutmaßliche Islamisten fortgesetzt.
Das UN-Menschenrechtskommissariat (UNHCR) hat die Todesurteile gegen hunderte Islamisten in Ägypten kritisiert. Die Urteile in einem "Prozess voller Verfahrensfehler" gegen mehr als 500 Anhänger des im Juli vom Militär gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi verstießen gegen das internationale Menschenrecht, erklärte UNHCR-Sprecher Rupert Colville am Dienstag in Genf.
Die erstaunlich hohe Zahl von Todesurteilen sei in der jüngsten Geschichte einmalig. Was jedem einzelnen Angeklagten vorgeworfen werde, bleibe unklar, weil die Anklagepunkte vor Gericht nicht verlesen worden seien.
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Die Mitgliedschaft in einer politischen Gruppe oder die Beteiligung an Demonstrationen rechtfertige nach internationalem Recht keine Todesstrafe, fügte Colville hinzu. Am Montag hatte ein Gericht in Minja südlich von Kairo 529 Angeklagte wegen Mitgliedschaft in Mursis mittlerweile verbotenen islamistischen Muslimbruderschaft, Aufstachlung zur Gewalt und Tötung eines Polizisten zum Tod verurteilt. Von den Verurteilten befinden sich laut Justizangaben 153 in Haft, die übrigen sind auf der Flucht. 17 Angeklagte wurden freigesprochen.
Ex-Präsident Mursi steht vor Gericht
Die Todesurteile wurden international scharf kritisiert. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte sie am Dienstag "äußerst beunruhigend". Die Urteile und Gerichtsverfahren widersprächen "internationalen rechtsstaatlichen Standards und menschenrechtlichen Grundsätzen". Die zuständigen ägyptischen Instanzen müssten das Urteil aufheben und den Angeklagten ein faires Verfahren ermöglichen.
Todesstrafen seien nicht zu rechtfertigen, erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Montagabend in Brüssel. Auch die USA zeigten Unverständnis. "Es widerspricht jeder Logik, dass über 529 Angeklagte innerhalb von zwei Tagen nach internationalem Standard verurteilt werden können", sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Marie Harf, in Washington.
Am Dienstag verhandelte dasselbe Gericht gegen weitere etwa 700 mutmaßliche Mursi-Anhänger, darunter auch der Kopf der Muslimbruderschaft, Mohammed Badie. Die Armee hatte Mursi im Juli 2013 entmachtet und später bei der Räumung von zwei Protestcamps der Muslimbrüder hunderte Anhänger des gestürzten Präsidenten getötet. Mursi steht derzeit selbst vor Gericht. (dpa/afp)