Kairo. . Die geplanten Hinrichtungen heizen den Konflikt zwischen Militärregierung und islamischer Opposition weiter an. Heftige Kritik kommt von Seiten der Menschenrechtlern. Als „eine Katastrophe, ein Schmierenstück und ein Skandal, der Ägypten noch viele Jahre verfolgen wird“ sieht es Gamal Eid an.

Ägyptens Machthaber aus Armee, Polizei und Justiz wollen in ihrem Kampf gegen die Muslimbruderschaft offenbar aufs Ganze gehen und die islamistische Opposition nun durch Massenhinrichtungen zum Schweigen bringen.

Nach einem 15 Minuten kurzen Prozess verurteilte ein Gericht in der oberägyptischen Stadt Minia am Montag in einer ersten Etappe 529 der über 1200 Angeklagten zum Tode. Weitere 680 Schnellurteile sollen bis Mitte der Woche folgen, unter anderen gegen den obersten Chef der Muslimbruderschaft, Mohammed Badie.

Von den 529 Todeskandidaten waren lediglich 147 in den Anklagekäfigen vorgeführt worden, die übrigen sind auf der Flucht und wurden in Abwesenheit verurteilt. 16 Beschuldigte ließ das Gericht laufen.

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Die Staatsanwaltschaft warf den Angeklagten vor, bei den schweren Krawallen im vergangenen August Polizeistationen und Regierungsgebäude in der Provinz Minia angegriffen und Kirchen in Brand gesteckt zu haben. Dabei seien ein Polizeioffizier getötet und vier Beamte verletzt worden.

Geheimer Schnellprozess

Plädoyers der Verteidigung ließ der Richter nicht zu, zudem fand der Schnellprozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Gegen die Urteile ist Revision möglich. Alle Todesstrafen müssen vor der Exekution vom Großmufti Ägyptens ratifiziert werden.

Mit diesem in der Justizgeschichte Ägyptens einzigartigen Massenurteil droht dem Land eine gefährliche Eskalation. Seit dem Sturz von Mohammed Mursi durch die Armeeführung und der blutigen Räumung der beiden zentralen islamistischen Protestlager in Nasr City und Dokki, bei der mindestens 600 Demonstranten starben, sind über 21.000 Menschen verhaftet worden – Anhänger der Muslimbrüder, Aktivisten der Demokratiebewegung, Journalisten und Studenten, aber auch Frauen und Minderjährige. Die sozialen Medien quellen inzwischen über von Horrorgeschichten aus den total überfüllten Kerkern, in denen wie zu Mubaraks Zeiten wieder gefoltert, vergewaltigt und misshandelt wird.

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„Ein Skandal, ein Schmierenstück“

In der Provinz Minia waren die Ausschreitungen im letzten Sommer nach der Entmachtung der Islamisten durch die Armee besonders schwer. Mehr als zwei Dutzend Kirchen gingen in Flammen auf. Im Stadtzentrum von Minia zündete die Menge ein koptisches Waisenhaus an sowie zwei Restaurantschiffe auf dem Nil, die christlichen Eigentümern gehörten.

Auf dem Gelände des Jesuitenordens, der seit mehr als 125 Jahren in Seelsorge und Schulbildung aktiv ist, gingen das Behindertenzentrum sowie die Bibliothek in Flammen auf, die als die älteste und wertvollste der Stadt galt.

Bei Menschenrechtlern in Ägypten stieß das Strafmaß auf scharfe Ablehnung. Nasser Amin, Mitglied des regierungsnahen Nationalen Menschenrechtsrates (NCHR), kritisierte die Todesurteile per Twitter als beispiellos. Sie würden annulliert, sobald die Verurteilten in die Berufung gingen, glaubt er. Gamal Eid, einer der profiliertesten Bürgerrechtler des Landes, nannte das Massenverdikt „eine Katastrophe, ein Schmierenstück und ein Skandal, der Ägypten noch viele Jahre verfolgen wird“.

Die Europäische Union hat die Todesurteile in Ägypten gegen 529 Islamisten verurteilt. Todesstrafen seien nicht zu rechtfertigen, teilte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Montagabend in Brüssel mit. Die US-Regierung und Menschenrechtler kritisierten das Urteil vom Montag scharf. "Es widerspricht jeder Logik, dass über 529 Angeklagte innerhalb von zwei Tagen nach internationalem Standard verurteilt werden können", sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Marie Harf, in Washington. Politisch motivierte Inhaftierungen und Verurteilungen würden einen Übergang zur Demokratie nur erschweren. (mit dpa)