Gelsenkirchen/Mannheim. Die Befürchtungen waren groß, jetzt gibt es erste Tendenzen: Mehrere Großstädte verzeichnen deutlich mehr Hartz-IV-Anträge von Zuwanderern aus Südosteuropa. In Duisburg und Bochum ist die Antragsflut ausgeblieben, in Gelsenkirchen gibt es mehr Anträge, aber viele sind ohne Aussicht auf Erfolg.
In einigen deutschen Großstädten ist die Zahl der Hartz-IV-Anträge von Bulgaren und Rumänen seit Jahresbeginn spürbar gestiegen. "Pro Tag haben wir zwischen 8 und 15 Neuanträge aus diesen beiden Gruppen", sagte der Mannheimer Leiter des Fachbereichs Internationales und Integration, David Linse, der Nachrichtenagentur dpa. "Das heißt nicht, dass es Personen sind, die nur herkommen, um sich in die soziale Hängematte zu legen." Die meisten seien keine Arbeitslosen, sondern wollten aufstocken: Sie hätten zwar Arbeit, verdienten aber nur sehr wenig.
Nicht in allen Städten mit hohem Migrantenanteil ist die Situation vergleichbar, wie eine dpa-Umfrage zeigt. Seit Januar gilt auch für Bulgaren und Rumänen die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit, sie können also in Deutschland ohne Arbeitserlaubnis regulär beschäftigt werden. Ob Zuwanderern Hartz-IV-Leistungen zustehen, ist rechtlich und politisch umstritten.
Städte warten auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes
Die Städte warten ungeduldig auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes: In dem Verfahren geht es um eine Rumänin, die seit 2010 mit ihrem Sohn in Deutschland lebt. Da sie keine Beschäftigung aufnahm, lehnte das Jobcenter ihren Antrag auf Hartz IV ab. Mannheim genehmigt Linse zufolge in Zeiten der Rechtsunsicherheit die meisten Anträge. Die Leistungsempfänger seien oft in einer sozialen Notlage. "Da ist es auch aus humanitären Gründen sehr schwierig, Zahlungen zu verweigern."
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Nicht jede Stadt handhabt das so. Gelsenkirchen verzeichnet zwar ebenfalls einen Anstieg an Hartz-IV-Anträgen. Diese seien allerdings überwiegend unbegründet und würden abgelehnt, da nicht die notwendigen Voraussetzungen vorlägen, sagte ein Sprecher der Stadt. Auch das Jobcenter im niedersächsischen Delmenhorst hat nahezu jeden Tag mit Antragstellern aus Bulgarien und Rumänien zu tun. Im Vergleich zum vergangenen Jahr hätten sich die Anträge verdoppelt.
In Duisburg ist die befürchtete Antragsflut ausgeblieben
In Duisburg hingegen ist die befürchtete Antragsflut ausgeblieben, ebenso im nahe gelegenen Bochum. Auch Nürnberg verzeichnet keinen großen Anstieg: Bis Anfang März gab es 50 Anträge von Bulgaren und Rumänen. "Wir haben von der Größenordnung her etwa den gleichen Zuzug wie andere Städte, aber wir haben diese Probleme nicht", sagte der Leiter des Sozialamtes, Dieter Maly. "Es ist keine Welle, die über uns hereingebrochen ist." Im Laufe des Jahres werde aber ein Anstieg erwartet.
Die Berliner und Brandenburger Arbeitsagentur gab keine Einschätzung ab. Bei diesem sensiblen Thema wolle man Tendenzen mit Zahlen unterlegen, sagte ein Sprecher. Die gebe es aber noch nicht.
Viele betroffene Städte dringen auf mehr Geld aus Berlin. Linse aus Mannheim sagte: "Wir halten es für unwürdig, dass Menschen, die arbeitsfähig sind, aufstockende Leistungen beantragen. Deshalb brauchen wir die finanziellen Mittel vom Bund, um die Leute fit für den Arbeitsmarkt zu machen." (dpa)