Münster. . Er wuchs auf im westfälischen Geseke, die Jahre am Dortmunder Sozialinstitut Kommende prägten ihn. Seit 2008 ist Reinhard Marx Erzbischof von München, seit 2010 Kardinal und heute ein enger Vertrauter des Papstes. Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz will er nun die Kirche verändern.

Er habe „keine ­Regierungserklärung vorbereitet“, ­witzelt Reinhard Marx, als er eine Stunde nach seiner Wahl vor die Presse tritt – um im nächsten ­Augenblick doch gleich loszu­legen. „Wir haben einen Aufbruch durch Papst Franziskus und der muss sich auch verfestigen“, verkündet der neue Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

Wenig später diktiert er den Journalisten in die Notiz­blöcke, es reiche nicht, wenn die Kirche „vor allem Nein sagt“. ­Künftig müsse man „zentrale ­Glaubensfragen in den Mittelpunkt stellen und sich nicht in Nebensächlichkeiten verlieren“.

Wer den frisch gekürten Nachfolger von Robert Zollitsch als oberster deutscher Bischof an ­diesem sonnenüberfluteten Morgen vor dem Priesterseminar in Münster beobachtet, gewinnt den Eindruck: Da kann es einer gar nicht erwarten loszulegen.

In Westfalen geboren

Reinhard Marx, 60 Jahre alt, aufgewachsen im westfälischen Geseke, seit 2008 Erzbischof von München, 2010 zum Kardinal ernannt, enger Vertrauter und Berater des Papstes. Seine Kritiker nennen den Oberhirten schon mal einen ­Karrieristen. Richtig ist, dass der machtbewusste Marx Verant­wortung nicht scheut und dass man ihm den Job an der Spitze der ­Bischofskonferenz sicher nicht aufdrängen musste.

Für die Verhältnisse der katho­lischen Kirche ist Reinhard Marx wohl eine schillernde Figur. Er verschmäht gutes Essen und feine ­Zigarren nicht, gilt aber gleichwohl als bodenständig. Er verfügt über eine barocke Ausstrahlung, tritt selbstbewusst auf, kann wortge­waltig predigen, erweist sich im persönlichen Gespräch aber auch als charmanter Plauderer. Bis­weilen gibt Marx seinem Hang zur Provokation nach. 2008 schrieb er unter dem Titel „Das Kapital“ ein viel beachtetes Buch als Antwort auf seinen Namensvetter Karl Marx. Da rümpften einige in der Kirche die Nase. Das Buch aber wurde ein Bestseller.

Seine geistigen Wurzeln hat Marx ohne Frage in der Katholischen Soziallehre. Seine Dortmunder Zeit am Sozialinstitut Kommende in den 80er- und 90-Jahren prägt ihn bis heute. Er beklagt das „Wohlstandsgefälle zwischen ­armen und reichen Ländern“ in der Welt. „Ein Kapitalismus ohne Menschlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit hat keine Moral und auch keine Zukunft“, lautete vor sechs Jahren eine der Kernthesen in seinem „Kapital“-Buch.

Er will keine Zeit verlieren

Bei Papst Franziskus klingt das heute ganz ähnlich. Gerade eben übertrug Franziskus Marx die Aufgabe als Koordinator des neuen ­vatikanischen Wirtschaftsrates.

Reinhard Marx wird nachgesagt, dass er schon vor sechs Jahren gern den Vorsitz der Bischofskonferenz übernommen hätte; damals musste er Robert Zollitsch noch den ­Vortritt lassen. Heute wirkt seine Wahl, fast auf den Tag ein Jahr nach dem Amtsantritt des Papstes, folgerichtig. Zwar ist der Kardinal aus München ganz sicher kein stür­mischer Reformer; er weiß, dass Veränderungen in der katho­lischen Kirche ihre Zeit brauchen. Aber ähnlich wie Franziskus will er auch nicht unnötig Zeit verlieren.

„Unglücksprophetin Kirche“

Marx glaubt nicht, dass es allein an mangelnder Kommunikation liegt, dass sich viele Menschen von der Kirche abwenden. Sicher, man müsse „in einer anderen Art und Weise das Evangelium verkünden“, die Kirche als „Unglücks­prophetin“ habe ausgedient. Aber, so sagt Marx, auch die Kirche selbst muss sich verändern.

Bestes Beispiel: der Umgang mit wieder verheirateten Geschiedenen, die etwa von der Kommunion ausgeschlossen sind. Marx spricht von der „Diskrepanz zwischen der Lehre der Kirche und dem, was die Gläubigen empfinden“.

Er fordert „eine größere Barmherzigkeit, einen anderen Stil. Nicht von oben herab Menschen befehlen, was sie zu tun und zu lassen haben, ­sondern eher einladen zu einer ­Lebensweise, die auch stärkend und ermutigend ist. Das müssen wir verändern. Und das muss ­natürlich auch gerade von den ­Bischöfen ausgehen“.