Genf/Damaskus. . Bomben und Hungersnot, Tod und Vertreibung. Nach dem Scheitern der Genfer Friedensgespräche verschärft sich die Lage für die Menschen in Assads Land. Dabei ist die Not bereits jetzt unvorstellbar.
Viele konnten sich kaum noch auf den Beinen halten, ihre Gesichter gezeichnet von Hunger und Todesangst. Einige der 1400 Evakuierten aus der belagerten syrischen Stadt Homs waren so benommen, dass sie zunächst an der Versorgungsstelle des Roten Halbmonds vorbeitaumelten, wo Helfer die Ausgemergelten mit einer Mahlzeit versorgten.
„Solch ein Ausmaß an Horror habe ich nie zuvor gesehen“, erklärte Matthew Hollingworth, Chef des Welternährungsprogramms für Syrien. „Menschen suchen die Ruinen ab nach Wurzeln oder irgendetwas anderem Essbaren. Seit Monaten haben sie nichts Richtiges mehr in den Magen bekommen.“ 15 Monate bereits dauert die Totalblockade von Homs, wo vor drei Jahren der Volksaufstand gegen Diktator Bashar al-Assad begann.
„Wir sind extrem frustriert“
Dabei ist das Leiden der 4000 Eingeschlossenen in der total ausgebombten Altstadt nur ein winziger Bruchteil der humanitären Katastrophe, die das gesamte Land erfasst hat. Nach Schätzung der UN sind mehr als 250 000 Menschen in derartigen Hungerenklaven gefangen – vor allem in Aleppo, Deir Ezzor im Osten sowie im palästinensischen Flüchtlingslager Yarmouk in Damaskus. Dort vegetieren die verbliebenen 18 000 Bewohner zwischen Müll und Trümmern, essen Kaktusblätter und Unkraut, schlachten Katzen oder streunende Hunde. „Die Hölle wäre besser“, empfing eine 29-jährige Mutter mit Baby auf dem Arm die UN-Helfer, die Lebensmittelpakete nach Yarmouk durchbringen konnten. „Wir haben Gras gegessen, bis kein Gras mehr da war.“
Ein Ende des Elends in Syrien ist nicht abzusehen. Die Genfer Friedens-Verhandlungen sind am Wochenende vorerst gescheitert, die Kontrahenten ohne jedes Ergebnis abgereist. „Es tut mir sehr, sehr leid. Ich entschuldige mich bei der syrischen Bevölkerung, dass diese beiden Verhandlungsrunden ihr nicht viel geholfen haben“, erklärte UN-Vermittler Lakhdar Brahimi. Denn die humanitäre Tragödie in Syrien hat längst apokalyptische Ausmaße angenommen.
Mindestens 140 000 Menschen haben ihr Leben verloren, Zehntausende werden vermisst. Allein seit dem 22. Januar, als die Bürgerkriegsparteien erstmals in der Schweiz an einem Tisch saßen, wurden 5800 Menschen getötet, die meisten durch teuflische Fässerbomben, gefüllt mit Sprengstoff und Eisenteilen, die auf Wohngebiete abgeworfen werden.
„Wir sind nicht nur pessimistisch, wir sind extrem frustriert“, klagte Valerie Amos, UN-Untergeneralsekretärin für humanitäre Angelegenheiten. Beide Seiten, das Regime und die Rebellen, würden das humanitäre Völkerrecht „ununterbrochen und schamlos“ verletzen und ihre Pflicht missachten, die Zivilisten zu schonen. „Wir wissen, dass dies ein Krieg ist – aber selbst Kriege haben Regeln.“
Zehn Millionen auf der Flucht
Vor Beginn der Kämpfe hatte Syrien 22,5 Millionen Einwohner. Die Vereinten Nationen schätzen, dass nahezu zehn Millionen Menschen derzeit auf der Flucht sind. Rund sieben Millionen irren im Land umher. 2,5 Millionen haben sich über die Grenzen ins Ausland gerettet, darunter eine Million Kinder. Die Kinderhilfsorganisation Unicef warnt bereits vor einer „verlorenen Generation“. 7600 Minderjährige sind im syrischen Bürgerkrieg umgekommen, Hunderte spurlos verschwunden oder von ihren Eltern getrennt. Nach einem Bericht der UN werden Halbwüchsige misshandelt oder als Mitkämpfer missbraucht – von Assads Truppen genauso wie von Rebellen.
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Statt einem Ende der Bestialität steht Syrien nach dem Scheitern in Genf jetzt eine weitere Eskalation bevor. Assads Truppen und ihre Verbündeten nahmen die Stadt Yabroud unter Feuer. Saudi-Arabien kündigte an, man werde den Rebellen jetzt moderne Panzerabwehrgeschosse sowie Boden-Luft-Raketen gegen Assads Luftwaffe liefern.