Düsseldorf. . Mehreinnahmen von 850 Millionen Euro brachten Selbstanzeigen und Geldstrafen dem NRW-Finanzminister ein. Viele Betroffene fürchteten, ihren Namen auf Steuer-CDs zu finden. Alice Schwarzer beklagt, dass ihr Fall publik wurde. Gibt es einen Prominenten-Malus? Ein Blick auf Fälle der Vergangenheit.

Norbert Walter-Borjans war die Genugtuung anzusehen. Der spektakuläre Fall der Steuerhinterzieherin Alice Schwarzer werde bestimmt „eine Werbewirkung“ für die Steuerfahnder entfalten, sagte der NRW-Finanzminister am Montagabend in der ARD-Talkrunde „Hart aber fair“ von Frank Plasberg.

Er nannte Schwarzers Verhalten „einen schwer wiegenden Fehler“. Indirekt warf der Minister Schwarzer vor, im Nachhinein „doch noch eine Straftat zu verharmlosen“ und sprach in diesem Zusammenhang von „mangelndem Unrechtsbewusstsein“. Ihre Rechtfertigungsversuche finde er „einfach unglaublich schade. Gut beraten ist sie nicht“, so Walter-Borjans.

Schwarzer beklagt Hatz gegen ihre Person

Die Frauenrechtlerin hatte zuvor in einer Stellungnahme von „Denunzierung“ und „Hatz“ gegen ihre Person gesprochen.

Dass der Fall Schwarzer am vergangenen Wochenende publik geworden war, obwohl die Autorin wegen ihres Kontos in der Schweiz Selbstanzeige erstattet hatte und somit durch das Steuergeheimnis geschützt sein müsste, habe ihn „nicht geärgert und auch nicht erfreut“, so SPD-Mann Walter-Borjans. Er stellte aber klar: „Dass Steuergeheimnis zu verletzen, ist eine Straftat.“

Wenn die Steuergeheimnisse der Promis öffentlich werden 

Tatsache ist, dass der Düsseldorfer Finanzminister seit dem ersten Kauf einer Steuer-CD all jene verunsichert hat, die Schwarzgeld in die Schweiz geschafft haben. Das belegt die sprunghaft steigende Zahl von Selbstanzeigen. „Ich bin überzeugt, dass es noch den einen oder anderen Prominenten erwischen wird“, prognostiziert Manfred Lehmann, Landeschef der Steuergewerkschaft.

„Letztlich wollte Alice Schwarzer Steuern hinterziehen“

Dass Details von Schwarzers Steuersparmodell aus der Finanzverwaltung durchgestochen wurden, glaubt Lehmann nicht. „Das Steuergeheimnis gilt dort als hohes Gut“, beteuert er. Andererseits ärgert ihn, dass die „Emma“-Herausgeberin ihr Eingeständnis mit „scheinmoralisierenden“ Kommentaren versehen habe: „Letztlich wollte sie Steuern hinterziehen, und das ist strafbar.“ Wie in anderen Fällen sei die Sorge, auf einer CD mit Schweizer Bankdaten aufzutauchen, „offenbar größer als der Steuerspartrieb“.

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Ähnlich argumentiert Walter-Borjans. Der SPD-Mann hatte das von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplante Steuerabkommen mit der Schweiz wiederholt mit dem Hinweis blockiert, es biete „scheunentorgroße Schlupflöcher“. Die vielen Selbstanzeigen seien der beste Beweis, dass „Steuerhinterzieher das Abkommen nicht fürchten, sondern darauf hoffen“.

Knapp 12.000 Selbstanzeigen in NRW

„Es gibt Tausende Uli Hoeneß“, sagte der Minister, als der Fall des Bayern-Managers vor einem Jahr einen Boom bei den strafbefreienden Selbstanzeigen auslöste. Insgesamt gingen seit Frühjahr 2010, als die erste CD angekauft wurde, bei den Finanzbehörden in NRW 11.920 Selbstanzeigen „mit Bezug zur Schweiz“ ein. Mit knapp 2000 entfielen die meisten auf den Bereich Düsseldorf.

Aus Sicht der Landeskasse lohnt sich die Kosten-Nutzen-Rechnung. Während NRW nur einen Teil der insgesamt neun Millionen Euro für bisherige CD-Käufe tragen musste, bescherten Selbstanzeigen und Geldstrafen in Zusammenhang mit den CDs dem Finanzminister geschätzte Mehreinnahmen von 850 Millionen Euro.

Hoeneß wehrt sich gegen "Prominenten-Malus" 

Als am Morgen des 14. Februar 2008 die Bochumer Staatsanwaltschaft beim damaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel klingelte und ein Fernsehteam live übertrug, waren Razzien gegen prominente Steuerhinterzieher noch eher selten.

Erst eine Spur aus dem Steuerparadies Liechtenstein hatte die Fahnder zu Zumwinkel gebracht, der später zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde. Mit den vom Land angekauften Steuer-CDs müssen Hinterzieher von Rang und Namen seit 2010 fast täglich die „Kavallerie“ fürchten.

So musste 2011 Borussia Mönchengladbachs Präsident Rolf Königs einräumen, dass er nicht versteuerte Zinserträge in Luxemburg gebunkert hatte. Seinen Namen fanden die Fahnder auf einer CD.

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Ein Jahr später durchkämmten 50 Ermittler die Villa des Düsseldorfer Modeunternehmers Albert Eickhoff in Meerbusch. Eine Steuer-CD hatte Hinweise auf seine Stiftungsaktivitäten bei der Schweizer Bank UBS gebracht.

Jüngster Coup der NRW-Fahnder scheint der Filmproduzent Artur Brauner zu sein, der unter Schwarzgeldverdacht steht, seit sein Name auf einer Schweizer CD mit Kunden der Bank Leumi aus Israel geführt wurde.

Schwarzer spricht von Moralverfall

Nicht jeder Prominente nimmt die Prangerwirkung öffentlich gewordener Ermittlungen klaglos hin. Hoeneß etwa erstattete Strafanzeige wegen der Verletzung seines Steuergeheimnisses. Seine Selbstanzeige war ebenso wie die jetzt von Alice Schwarzer an die Medien durchgesickert.

Schwarzer nennt die Veröffentlichung ihres Namens einen Moralverfall. Hoeneß sprach gar von einem „Prominenten-Malus“, da bei bekannten Persönlichkeiten der Fiskus die Akten nicht so geräuschlos schließe wie bei anderen vermögenden Steuerflüchtlingen.

Schwarzer steckt eine Million Euro in eine neue Stiftung

Unterdessen gab Schwarzer bekannt, dass sie eine Million Euro in eine Stiftung zur Chancengleichheit stecken möchte. Das teilte die von ihr herausgegebene Zeitschrift "Emma" am Montag auf ihrer Internetseite mit. Das Projekt sei seit Monaten in Vorbereitung. Doch wegen der "aktuellen Debatte" habe sich Schwarzer entschlossen, mit der Ankündigung früher als geplant an die Öffentlichkeit zu gehen.

Schwarzer steht wegen einer zugegebenen Steuerhinterziehung unter Beschuss. Sie selbst gebe zum Start eine Million Euro als Stiftungskapital, hieß es in der Mitteilung. Künftig würden auch die Gewinne der Zeitschrift "Emma" zum Betrieb der Stiftung beitragen. Diese soll in vielen Bereichen Chancengleichheit und Menschenrechte von Frauen und Mädchen fördern.