Berlin. Zuerst Familienministerin Manuela Schwesig, nun die IG-Metall: Die Rufe nach kürzen Arbeitszeiten für Eltern mit Kindern werden lauter. Die Gewerkschaft will eine Diskussion über Vollzeitarbeit mit weniger Wochenstunden anstoßen. Neue Arbeitszeitmodelle könnten 2015 auf den Tisch kommen.
Die Anforderungen von Arbeit und Kindern unter einen Hut zu bringen, verlangt von vielen Familien höchste Anstrengungen. Um diesen Spagat zu bewältigen, müssen berufstätige Eltern organisatorische Höchstleistungen vollbringen.
Der Alltag von Kindern und Eltern ist oft bis auf die Minute durchgetaktet: Arbeit, Haushalt, Einkauf, Klavierstunde, Sport, Hausaufgaben, Essen kochen. Wenn dann eine plötzliche Dienstreise dazwischen kommt, die Tagesmutter ausfällt oder ein Kind krank wird, bricht das filigrane Gebäude rasch zusammen.
Wer geht zum Kinderarzt?
Hilfe vom Staat würde den Alltag vieler gestresster Familien entlasten. Gerade erst ist Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig mit ihrem Vorstoß nach einer 32-Stunden-Woche als neue Eltern-Vollzeit bei der Kanzlerin auf Granit gestoßen. Nun greift die IG Metall, die größte Gewerkschaft des Landes, die Idee auf und möchte familienfreundlichere Arbeitszeiten durchsetzen.
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86 Prozent der Doppelverdiener mit Kind würden die Möglichkeit begrüßen, die Arbeitszeit für die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen vorübergehend zu senken, ergab eine Mitgliederbefragung der Gewerkschaft.
Denn im Alltag ist es doch so: Wer geht morgens zum Kinderarzt, wenn die Kleine mit Fieber aufwacht? Wer kann kurzfristig frei nehmen, wer hat den wichtigeren Job? Wer hat Zeit, zum Elternabend zu gehen oder für die Klassenarbeit zu üben? In der Regel sind es die Mütter, die beruflich zurückstecken.
An der IG Metall-Umfrage beteiligten sich im vergangenen Jahr gut 500.000 Menschen. Die Ergebnisse zeigten, dass die „Vereinbarkeit von Beruf und Leben“ immer wichtiger werde, sagte Gewerkschaftsvize Jörg Hofmann der „Welt“. Der Wunsch nach „reduzierter Vollzeit“, etwa mit einer 30-Stunden-Woche, sei auffällig. „Wir brauchen eine neue Debatte über Arbeitszeit“, so Hofmann.
Wenn das erste Kind kommt
Die Arbeitswelt stehe angesichts der alternden Gesellschaft vor gewaltigen Herausforderungen, sagte der Gewerkschafter schon bei der Jahrespressekonferenz vor einer Woche. Er nannte die Stichworte: Flexibilität und Arbeitszeitgestaltung, Vereinbarkeit von Arbeit und Leben sowie altersgerechtes Arbeiten.
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Die nächste Tarifrunde findet 2015 statt. Wichtig sei, dass die reduzierte Arbeitszeit nicht als Teilzeit, sondern weiterhin als Vollzeit gelte, „sonst wird es schwierig, wieder zur Vollzeit zurückzukehren.“ Ob die IG Metall dafür auch einen Lohnausgleich fordern wird, ist noch offen.
„Für viele Mütter wird ein Teilzeit-Job zur Falle. Sie verlieren den Anschluss an die berufliche Entwicklung und schaffen es nur selten, nach der Elternzeit wieder in ihre alte Position zu kommen“, sagt Steffen Lehndorff, der Arbeitszeit und Arbeitsorganisation beim „Institut Arbeit und Qualifikation“ der Uni Duisburg-Essen erforscht.
Der Mann arbeitet länger, die Frau weniger
Für Väter ist eine Reduzierung der Arbeitszeit immer noch fast eine Pioniertat. Wer im Beruf freiwillig zurücksteckt, weil er mehr von seinen Kindern haben will, erntet beim Chef nicht selten Unverständnis.
Die Karriere, von der auch das Familieneinkommen abhängig ist, bekommt einen Knick. Lehndorff hält den Vorstoß der IG Metall daher für eine „hervorragende Idee“, um die auseinanderdriftenden Arbeitszeiten von Männern und Frauen auf lange Sicht wieder etwas anzugleichen.
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„Bisher ist es doch so“, sagt Lehndorff, „kommt ein Kind, geht die Frau in Teilzeit. Je mehr Kinder kommen, desto länger wird die Arbeitszeit des Mannes und desto kürzer die der Mutter.“
Das im Koalitionsvertrag vereinbarte „Elterngeld plus“ sei ein erster richtiger Schritt, meint Lehndorff. Geplant ist ein „Partnerschaftsbonus“ in Höhe von zehn Prozent des Elterngeldes. Erhalten sollen ihn Eltern, die Elterngeld beziehen und zugleich 25 bis 30 Stunden arbeiten. Das Elterngeld würde dann 28 Monate statt bislang 14 Monate ausgezahlt.
Der Bonus soll ein Anreiz sein, die Arbeitszeit zwischen den Eltern gerechter aufzuteilen und Väter dazu motivieren, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Dann kann auch Papa mal den Kauf der Winterstiefel übernehmen...