Düsseldorf. . Es ist überraschend, was Experten in einer neuen Studie herausgefunden haben wollen: Es ist für den Lernerfolg gar nicht schlimm, wenn Lehrer fehlen. Das verblüfft auch Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne). Die Autoren raten dazu, lieber neue Pädagogen einzustellen als Fehlzeiten zu untersuchen.

Was die von Sylvia Löhrmann beauftragten Gutachter schwarz auf weiß vorlegten, hat nicht nur Sylvia Löhrmann selbst überrascht, sondern dürfte auch unter Eltern, Lehrern und Politikern neue Erregung über ein altes Reizthema verursachen: den Unterrichtsausfall in Nordrhein-Westfalen. Erstmals raten Wissenschaftler von einer stichhaltigen Erhebung der Fehlstunden ab, weil sie „hoch aufwendig und sehr kostenintensiv“ sei. Statt Stundenausfall zu messen, sollte das Geld ausgegeben werden, um ihn zu vermeiden.

700 Lehrerstellen würde es nach der Studie umgerechnet kosten, sich ein statistisch „realistisches Bild“ zu machen. Das sei nicht vertretbar. Ein zweites Fazit in der 72-Seiten-Studie sorgte fast für noch mehr Aufsehen. „Ausgefallener Unterricht beeinflusst das Schülerlernen – wenn überhaupt – nur in einem sehr geringen, zumeist nicht statistisch bedeutsamen Umfang“, heißt es. Das Problem werde in der Öffentlichkeit „überschätzt“. Diese Schlussfolgerung dürfte sich kaum mit der Alltags-Erfahrungen zehntausender Eltern decken.

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Nachteil für sozial Schwächere

Löhrmann hält die zentralen Aussagen für so „gravierend“, wie sie unserer Zeitung sagte, dass sie dazu mit dem Schulausschuss des Landtags die Verfasser im Detail befragen will. Gestern wurde die Beratung der Fachpolitiker deshalb erst einmal verschoben. Der Hintergrund ist politisch heikel: Mehrfach, zuletzt im November, hatte der Landesrechnungshof die rot-grüne Landesregierung gemahnt, endlich eine aktuelle Ausfallstatistik vorzulegen.

Bisherige Messergebnisse klaffen meist weit auseinander. Während sich nach der Stichprobe im Schuljahr 2008/09 die schwarz-gelbe Regierung Rüttgers einer Fehlquote von gerade einmal 2,3 Prozent rühmte, kamen die Rechnungsprüfer bei ihren Langzeit-Messungen an über hundert Schulen zu ganz anderen Ergebnissen. Danach war mehr als doppelt soviel Unterricht ausgefallen, nämlich 5,8 Prozent der planmäßigen Stunden.

Auch beim Unterricht ist Qualität wichtiger als Quantität

Aus Sicht der Wissenschaftler hängt allerdings die tatsächliche Unterrichtszeit nur „mittelbar mit dem Lernerfolg der Schüler“ zusammen. Immerhin räumen sie ein, dass Stundenausfall sich auf leistungs- und sozial schwächere Kinder „problematischer“ auswirken könne als auf bessere und sozial stärkere Schüler (deren Defizite sehr wahrscheinlich vom Elternhaus aufgefangen werden können). Insgesamt aber hänge der Lernerfolg mehr von der Qualität des Unterrichts ab, verweist die Studie auf internationale Forschungsergebnisse.

„Im Idealfall verfügt die Schule über ein umfassendes Vertretungskonzept“, heißt es.

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Statt Unterrichtsausfall mit hohem Kostenaufwand messen zu lassen, raten die Gutachter dazu, das Instrument der Qualitätsanalyse an den nordrhein-westfälischen Schulen stärker einzusetzen und den Schulen Gütesiegel zu verleihen, etwa für individuelle Förderung. Davon versprechen sie sich mehr Motivation.

Dass Unschärfen bei der Erhebung des Stundenausfalls in allen Ländern gang und gäbe sind, machen die Forscher ebenfalls deutlich. Die Daten werden sehr unterschiedlich gemessen, und die Grenze zwischen Unterrichtsausfall und Vertretungsunterricht ist meist nicht klar definiert. Durchgängig kamen aber die Rechnungshöfe zu einer höheren Fehlquote als die Ministerien.

In NRW wurden die Ausfalldaten bisher jährlich über zwei Folgewochen im Frühjahr gemessen. Auch diese Methode kritisieren die Forscher: Wandertage oder Klassenausflüge innerhalb der Zwei-Wochen-Stichprobe könnten dazu führen, dass die Ergebnisse „verzerrt“ würden.