Berlin. . US-Präsident Barack Obama hat in der NSA-Affäre um neues Vertrauen in Deutschland geworben. Im Ton freundschaftlich, aber in der Sache hart bemühte er sich erkennbar um ein besseres Verhältnis zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Doch in Berlin ist die Stimmung gedämpft. Eine Analyse.

Er nennt sie seine „Freundin“. Barack Obama will sie besänftigen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll sich darauf verlassen können, dass der amerikanische Geheimdienst NSA sie nicht länger ausspähen wird.

„Solange ich Präsident der Vereinigen Staaten bin“, sagte der amerikanische Präsident im ZDF, „muss sich die deutsche Kanzlerin darüber keine Sorgen machen“. Dass er nach seiner Grundsatzrede vom Freitag einem deutschen Fernsehsender Rede und Antwort stand, war als Geste der Amerikaner gedacht. „Sie zeigen uns nicht die kalte Schulter“, analysiert der designierte Amerika-Beauftragte, Philipp Mißfelder (CDU).

Kleinen Finger gereicht

Die Bundesregierung versprach am Freitagabend nur, die Rede zu analysieren. Ihr Bestreben: Zeit gewinnen. In Berlin ist die Stimmung über das Wochenende gekippt. Tenor: Wenn überhaupt, dann hat Barack Obama den Deutschen nicht die Hand, sondern lediglich den kleinen Finger gereicht.

Erstens: Merkel kann sich sicherer fühlen. Aber werden auch ihre Minister nicht abgehört? Darauf muss schon ihr Koalitionspartner, die SPD, pochen. Gar noch gefährlicher wäre der Eindruck bei den Bürgern, wenn mit zweierlei Maß abgehört wird: Das Handy der Bundeskanzlerin ist tabu – die Kommunikation ihrer Bürger nicht.

Zweitens: Die Amerikaner wollen nicht zurückschauen. Sie haben fast alle Fragen aus Deutschland zu ihren Abhörpraktiken nicht beantwortet, gerade auch nicht die Details über die Spähattacken gegen Merkel.

Drittens: Es ist unklar, ab wann die Reform der NSA greift und ob die Gerichte oder der Kongress dem Präsidenten noch einen Strich durch die Rechnung machen können. Mißfelder: „Obama ist nicht allein.“

Viertens: Der Bundestag wird bald einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Im Zuge der NSA-Affäre prüft der Generalbundesanwalt seit Wochen Ermittlungen. Ist es die nächste Eskalationsstufe? Der Bundesanwalt hat laut „Spiegel“ Justizminister Heiko Maas (SPD) informiert – und der wiederum seinen Parteifreund und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann erwartet baldmöglichst „Klarheit“ aus Karlsruhe. Die Ermittlungen würden das Verhältnis zu den USA belasten. Und ihre Erfolgsaussichten? „Da mache ich mir nichts vor. Sie dürften bescheiden sein“, sagt Mißfelder.

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Fünftens: Auf den deutschen Wunsch nach einem Anti-Spionage-Vertrag ging Obama nicht ein. Mißfelder: „Das halte ich für offen“. Andere Unions-Politiker sind skeptischer. „Es gibt Zusagen, aber keine rechtlichen Verpflichtungen, die überprüfbar sind“, gab der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), zu bedenken. Ein Abkommen, das keine substanziellen Fortschritte bringe in Richtung mehr Schutz von Grund- und Bürgerrechten, „sollte man erst gar nicht unterschreiben“, rät Innenpolitiker Wolfgang Bosbach.

Sechstens: Es gibt kaum Sanktionsmöglichkeiten. „Wir schneiden uns ins eigene Fleisch, wenn wir das Freihandels-Abkommen mit der NSA-Debatte verbinden“, meint Mißfelder. Er hat ins Gespräch gebracht, das Swift-Abkommen über den Austausch von Bankdaten auszusetzen, bis eine „No-Spy-Vereinbarung“ vorliegt.

Steinmeier begreift Obamas Rede als Auftakt eines Prozesses. Daran kann sich in den USA eine breite Debatte entzünden. Gleichzeitig wird die Regierung Rücksicht anmahnen – schon in zwei Wochen, wenn US-Außenminister John Kerry in München erwartet wird. Im Juni will Merkel nach Washington fliegen. Dann zeigt sich, ob sie was erreicht hat oder ob der „tiefe Riss“ (Mißfelder) im Verhältnis größer wird.