Kairo. Das neue Grundgesetz ist mit 98 Prozent der abgegebenen Stimmen beschlossen und soll den Weg zu Wahlen ebnen. Die niedrige Beteiligung verweist aber auch auf tiefe Gräben zwischen den Lagern. Die Islamisten blieben den Urnen einfach fern. Viele beklagten ein Klima der Einschüchterung.
Bei der Volksabstimmung in Ägypten hat die neue Verfassung eine überwältigende Mehrheit bekommen. Damit ist der Weg für Präsidenten- und Parlamentswahlen noch in diesem Jahr frei. 98 Prozent der Wähler stimmten mit "Ja", wie das regierungsnahe Nachrichten-Portal "Al-Ahram" am Donnerstag berichtete. Das Ergebnis basierte auf der Grundlage vorläufiger Auszählungsergebnisse in 26 von 27 Provinzen.
Mit 36,7 Prozent enttäuschte die Beteiligung aber die Erwartungen der Befürworter des neuen Grundgesetzes. Nach diesen Angaben stimmten 18,6 Millionen Bürger für die neue Verfassung und 366.000 dagegen.
Klima der Einschüchterung
Gegner des Verfassungsentwurfs beklagten ein Klima der Einschüchterung vor der Abstimmung. Mehrere Aktivisten, die für ein "Nein" geworben hatten, wurden verhaftet. Die islamistische Muslimbruderschaft, die vom Militär im Juli 2013 nach Massenprotesten entmachtet worden war, hatte zu einem Boykott aufgerufen. Beobachtern zufolge erklärt dies, warum am Ende fast nur Menschen ihre Stimme abgaben, die für die Verfassung waren.
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Trotz der mäßigen Beteiligung kann die Abstimmung auch als Erfolg dargestellt werden: Am Referendum über die Verfassung der Islamisten Ende 2012 hatten nur 33 Prozent der Wähler teilgenommen, von denen 63 Prozent mit "Ja" gestimmt hatten. In der Summe stimmten mehrere Millionen Menschen mehr für das neue Grundgesetz als für das vorangegangene. Eine Mindestbeteiligung für die Gültigkeit von Volksabstimmungen ist in Ägypten nicht vorgeschrieben.
Staatschef und Parlament werden dieses Jahr gewählt
Auf der Grundlage der neuen Verfassung sollen in diesem Jahr der Staatschef und das Parlament gewählt werden. Befürworter der Reform erhoffen sich davon den Abschluss einer dreijährigen Periode der Umstürze und blutigen Zusammenstöße, die im Frühjahr 2011 mit der Revolution gegen den Langzeitherrscher Husni Mubarak begonnen hatte.
Die neue Verfassung stärkt - zumindest auf dem Papier - die Freiheitsrechte der Bürger und macht die unter den Islamisten beschlossenen Änderungen rückgängig. Diese hatten dem Islam mehr Gewicht verliehen. Gleichzeitig schreibt die neue Verfassung Privilegien des Militärs fest. Menschenrechtler und Experten beanstanden, dass Freiheitsrechte schwierig durchsetzbar seien, weil der Bürger gegenüber Justiz und Polizei das Nachsehen habe.
Militärchef gilt als Präsidentschaftskandidat
Viele Ägypter bekundeten während der Volksabstimmung vor den Wahllokalen ihre Unterstützung für Militärchef Abdel Fattah al-Sisi. Er gilt als möglicher Präsidentschaftskandidat, wobei er sich noch nicht auf eine Kandidatur festgelegt hat.
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Der Vorsitzende der gemäßigt-islamischen Partei Starkes Ägypten, Abdel Moneim Abul Futuh, sagte dagegen der Nachrichtenagentur dpa: "Die Abstimmung fand in einer undemokratischen Atmosphäre statt. Menschenrechte wurden nicht respektiert."
Aktivisten festgenommen
Abul Futuh erwähnte, dass Aktivisten seiner Partei beim Verteilen von "Nein"-Flugzetteln festgenommen worden seien. Auch sei es ihm nicht möglich gewesen, Säle für eigene Veranstaltungen anzumieten, weil die Besitzer Angst vor Repressionen gehabt hätten.
Die Webseite der Zeitung "Al-Shorouk" meldete, in der Nacht zum Donnerstag sei während der Auszählung der Stimmen ein Wahllokal im Hinterland von Kairo unter Beschuss geraten. Es entstand lediglich Sachschaden. Insgesamt war nur der erste Tag der Abstimmung von Gewalt überschattet. Nach offiziellen Angaben waren am Dienstag elf Menschen bei Zusammenstößen zwischen Islamisten und Sicherheitskräften ums Leben gekommen. Die Polizei nahm an beiden Tagen insgesamt 444 Personen fest, die das Referendum gestört haben sollen. (dpa)