Berlin/Kleve. . Die Kritiker eines fliegenden Wechsels von der Politik in die Wirtschaft bekommen neue Nahrung. Die Meldung, wonach Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) künftig als hoch dotierter Lobbyist bei der Deutschen Bahn AG anheuert, dürfte die Debatte jedenfalls weiter befeuern.
Die Kritiker eines fliegenden Wechsels von der Politik in die Wirtschaft bekommen neue Nahrung. Die Meldung, wonach Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) künftig als hoch dotierter Lobbyist bei der Deutschen Bahn AG anheuert, dürfte die Debatte jedenfalls weiter befeuern. Und das zu Recht. Denn die Personalie hat einen unguten Beigeschmack.
Zum einen saß Pofalla, ein enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel, noch bis vor wenigen Wochen als Minister im Kanzleramt an einer wichtigen Schaltstelle der Macht in Berlin. Erst Mitte Dezember war bei der Bildung der neuen schwarz-roten Bundesregierung überraschend Pofallas Rückzug aus der ersten Reihe der Bundespolitik bekanntgeworden. Er sitzt seit 1990 im Bundestag, sein Mandat hat er behalten.
Intime Kenntnisse
Dass der 54-jährige Niederrheiner, der zuvor mehrere Jahre Generalsekretär der Bundes-CDU war, seine intimen politischen Kenntnisse demnächst zum Wohle des Staatsunternehmens nutzen kann, ist brisant – nicht nur, weil sich die verschiedenen privaten Konkurrenten des Staatsunternehmens benachteiligt fühlen dürften.
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Dabei hätte Pofalla es besser wissen müssen. Denn erst vor wenigen Monaten war sein Parteifreund, der Staatsminister Eckart von Klaeden, aus dem Kanzleramt zum Daimler-Konzern gewechselt – und hatte damit für erhebliche Kritik gesorgt. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen möglicher Vorteilsnahme, weil sich von Klaeden während seiner Amtszeit mehrmals mit Daimler-Vertretern getroffen hatte. Zudem erhielt der CDU-Mann zwischen Januar und Mai vergangenen Jahres Kenntnis von drei Vorlagen aus Brüssel zur Regulierung des Schadstoffausstoßes von Neuwagen. Für viele ein klarer Interessenkonflikt.
„Wir finden es unanständig“
Es schien, als habe die schwarz-rote Koalition aus diesem Fall gelernt. Denn im kürzlich von Union und SPD unterzeichneten Koalitionsvertrag heißt es: „Um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden, streben wir für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretärinnen und Staatssekretäre und politische Beamtinnen und Beamte eine angemessene Regelung an.“
Wenn Politiker Lobbyisten werden
Wie die angemessene Regelung genau aussehen soll, darüber steht dort allerdings nichts geschrieben.
Transparency International forderte bereits, Pofalla müsse sofort sein Bundestagsmandat zurückgeben. „Wir finden es unanständig, wenn er sich erst von den Menschen wählen lässt, um nur wenige Wochen später auf einen lukrativeren Job in der Wirtschaft zu wechseln“, sagte der Geschäftsführer von Transparency Deutschland, Christian Humborg.
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Scharfe Kritik kam auch von der Linken. Deren Verkehrsexpertin Sabine Leidig erklärte: „Ein Teil der Mehreinnahmen durch höhere Ticketpreise soll nun offensichtlich dazu verwendet werden, bei der Bahn einen Versorgungsposten für den ehemaligen Kanzleramtsminister zu schaffen. Das ist nur noch makaber.“ Die Bahn solle Fahrgäste befördern und keine früheren Minister versorgen.
Auch SPD-Politiker wechselten
Pofalla, von Klaeden – das sind nicht die ersten Fälle von Politikern in die Wirtschaft, die für Schlagzeilen sorgen. Vor gut drei Jahren schlug der Wechsel des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) hohe Wellen. Der Christdemokrat gab sein Amt im August 2010 auf, um wenig später Vorstandsmitglied beim Baukonzern Bilfinger Berger zu werden – ausgerechnet bei jenem Baukonzern also, der in Kochs Regierungszeit in Wiesbaden einen Auftrag über rund 80 Millionen Euro zum Bau der Nordwest-Landebahn am Frankfurter Flughafen erhalten hatte. Koch hatte sich immer zum Flughafen-Ausbau bekannt.
Doch nicht nur christdemokratische Politiker tauschten ihr politisches Amt gegen einen Top-Job in der Wirtschaft. So wechselte der vorherige nordrhein-westfälische Energieminister Axel Horstmann (SPD) nach dem Machtverlust der Sozialdemokraten in NRW 2005 auf einen Managerposten beim Energiekonzern EnBW.
Auch Horstmanns Parteifreundin und ehemalige Kabinettskollegin Birgit Fischer wechselte die Seiten. Fischer, zuvor NRW-Gesundheitsministerin, wurde zunächst Vorstandsvorsitzende der Krankenkasse Barmer GEK, bevor sie Cheflobbyistin der Pharmaindustrie wurde und als Hauptgeschäftsführerin beim Verband forschender Arzneimittelhersteller anheuerte. Horstmann wie Fischer gerieten in die Kritik, weil sie nicht umgehend nach Bekanntwerden ihrer Pläne ihr Landtagsmandat niederlegten.