München/Berlin. Die CSU will härter gegen Sozialbetrüger aus EU-Staaten vorgehen. “Wer betrügt, der fliegt“, heißt es in der Vorlage, über die auf der Klausur der CSU-Landesgruppe im Januar beraten werden soll. Die Linkspartei spricht von übler “Hetze, mit der die CSU braune Banden zur Gewalt ermutigt.“

Der harte Kurs der CSU gegen mögliche "Armutsmigranten" im Zuge der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren stößt auf scharfe Kritik des Koalitionspartners SPD. Die stellvertretende Parteivorsitzende und neue Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, erklärte am Samstag in Berlin: "Die CSU sollte ihren Jahresauftakt in Wildbad Kreuth nicht dazu nutzen, durch falsche Pauschalurteile die Stimmung in unserer Gesellschaft gegen Arme aufzuheizen."

Es sei richtig, dass einige Kommunen in Deutschland vor große Herausforderungen durch sogenannte Armutswanderung aus südosteuropäischen EU-Staaten gestellt würden, erklärte Özoguz. Sie bräuchten aber keinen Populismus, sondern vor allem schnelle und effektive finanzielle Hilfen. Die SPD-Politikerin warnte davor, die Arbeitnehmerfreizügigkeit "als Schreckgespenst an die Wand zu malen". "Wer so tut als seien alle Menschen aus Bulgarien und Rumänien arm und würden bei uns nur um Sozialleistungen anstehen, der verkennt die vielen Hochqualifizierten, die bei uns beispielsweise als Ärzte und Pflegekräfte im Gesundheitsbereich arbeiten."

Özoguz forderte die CSU auf, sie solle "ihren Wahlkampfauftakt in Wildbad Kreuth dazu nutzen, das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Bleiberecht für langjährig Geduldete zu begrüßen und sich für eine schnelle Umsetzung einzusetzen".

"Tanz für die Rechtsextremen" bereitet

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, übte ebenfalls scharfe Kritik an der CSU. "Wer eine solche Melodie intoniert, bereitet den Tanz für die Rechtsextremen", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Die CSU müsse sich "noch daran gewöhnen, dass sie in einer Koalition mit der SPD nicht mehr ohne jede Rücksicht ihre Wahlkampftöne anschlagen kann".

CSU will härteren Kurs gegen Armutsmigranten 

Die CSU will auf ihrer Klausur Anfang Januar in Wildbad Kreuth einen schärferen Kurs gegen Armutszuwanderer aus EU-Staaten beschließen. So soll ihnen der Zugang zum deutschen Sozialsystem erschwert werden. Das geht aus der Beschlussvorlage hervor, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Anlass sind Befürchtungen, die von Januar an geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren könnte zu einem verstärkten Zuzug aus diesen Ländern führen.

Nach der Vorlage ist eine generelle Aussetzung des Bezugs von Sozialleistungen für die ersten drei Monate des Aufenthalts zu prüfen. Außerdem will die CSU härter gegen Sozialbetrüger vorgehen. So müsse es in diesem Fall nicht nur eine Möglichkeit zur Ausweisung der Person, sondern auch zur Verhinderung einer Wiedereinreise geben - was auch der bisherige CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich mehrfach gefordert hatte. "Wer betrügt, der fliegt", heißt es in der Vorlage, die auf der Klausur der CSU-Landesgruppe in Kreuth (7. bis 9. Januar) beraten werden soll.

Beide angesprochenen Maßnahmen bewegen sich allerdings schon jetzt im Rahmen der EU-Regeln. So ist ein Gastgeberland nicht verpflichtet, innerhalb der ersten drei Monate des Aufenthalts Sozialleistungen zu gewähren. Auch eine Wiedereinreisesperre ist danach möglich.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte, ihre Partei stehe zur Freizügigkeit in der EU, eine Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme lehne sie jedoch ab. Das Papier wird noch deutlicher. Darin heißt es: "Der fortgesetzte Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung gefährdet nicht nur die Akzeptanz der Freizügigkeit bei den Bürgern, sondern bringt auch Kommunen an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit." Es gelte daher, falsche Anreize zur Zuwanderung zu verringern und auf nationaler wie europäischer Ebene Lösungen zu erreichen.

Linksparteichef Bernd Riexinger: "Das ist üble Hetze" 

Grüne und Linkspartei haben der CSU vorgeworfen, mit ihrer Warnung vor Armutszuwanderung aus EU-Ländern Ressentiments zu schüren. Der innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, schrieb am Samstag in einer Erklärung: "Die CSU sollte nicht das innenpolitische Klima vergiften!" Linksparteichef Bernd Riexinger konstatierte mit Blick auf die CSU-Aussage "Wer betrügt, der fliegt" im Internet-Kurznachrichtendienst Twitter gar eine gedankliche Verwandtschaft zur NPD: "Das ist üble Hetze, mit der die CSU braune Banden zur Gewalt ermutigt."

EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Rumänen und Bulgaren

Vom 1. Januar an gilt die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Rumänen und Bulgaren. Dies könnte zu einem verstärkten Zuzug aus diesen Ländern führen. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) rechnet dem Zeitungsbericht zufolge damit, dass die Zahl der Rumänen und Bulgaren in Deutschland um 100 000 bis 180 000 steigen wird. Derzeit leben hier gut 370 000 Bürger aus den beiden Staaten. Seit langem bereits weisen die Kommunen auf eine drohende Überforderung durch zusätzliche Sozialleistungen hin.

Die IAB-Forscher halten in ihrem neuesten Bericht zum Thema aber auch fest: "Die Zahlen zur Beschäftigung und zum Leistungsbezug rechtfertigen es gegenwärtig nicht, die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien pauschal als "Armutszuwanderung" zu qualifizieren." Die Probleme konzentrierten sich auf einige strukturschwache Kommunen wie Duisburg, Dortmund und Berlin.

Städtetag fordert Hilfen für Kommunen 

Angesichts der erwarteten Zuwanderung von Menschen aus Rumänien und Bulgarien fordert der Deutsche Städtetag umfassende Hilfen für Städte und Gemeinden. "Bund, Länder und die Europäische Union müssen beim Thema Armutszuwanderung stärker handeln", sagte Städtetags-Hauptgeschäftsführer Stephan Articus am Wochenende. Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU) nannte die volle Freizügigkeit für rumänische und bulgarische Staatsbürger ab Januar eine Bereicherung für den deutschen Arbeitsmarkt.

Articus beschrieb in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Samstag die von den Städten benötigten Hilfen: "Finanziell etwa über einen Fonds, aber auch organisatorisch und gesetzgeberisch." Auf Bundesebene müsse ein Kompetenzzentrum eingerichtet werden, das Ansprüche gegenüber Krankenversicherungen kläre. Zudem sei eine Gesetzesänderung nötig, um Scheinselbstständigkeit zu verhindern. Bisher habe der Bund auf solche Vorschläge "eher ablehnend reagiert", kritisierte Articus.

Die EU müsse stärker dazu beitragen, die Verhältnisse in den Herkunftsländern zu verbessern, forderte der Städtetags-Hauptgeschäftsführer. Er betonte zugleich, dass die Städte die Freizügigkeit in der EU nicht in Frage stellten: "Sich abzuschotten widerspräche der europäischen Integration."

Unionsfraktionsvize Schockenhoff sagte der Zeitung "Welt" vom Samstag: "Aufgrund unserer demografischen Entwicklung sind wir auf Zuwanderung angewiesen." Insgesamt hätten sich auch die Befürchtungen nach der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 nicht bewahrheitet, sagte Schockenhoff. Mehr Sorgen mache ihm die organisierte Kriminalität, die möglicherweise durch die volle Freizügigkeit auch nach Deutschland schwappe. (afp/dpa)