Berlin. Der freigelassene Kreml-Gegner Michail Chodorkowski will sich nach seiner Ausreise nach Berlin an diesem Sonntag zu seinen Zukunftsplänen äußern. Der 50-Jährige lud für Sonntagmittag zu einer Pressekonferenz ein, wie ein Sprecher mitteilte. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Chodorkowski am Freitag nach mehr als zehn Jahren Haft überraschend aus humanitären Gründen begnadigt.
Der begnadigte und freigelassene Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski wird sich am Sonntag zum ersten Mal seit seiner Freilassung öffentlich äußern. Wie ein Sprecher Chodorkowskis in Moskau mitteilte, gibt der ehemalige Ölmagnat am Sonntagmittag um 13 Uhr im Berliner Mauermuseum am Checkpoint Charlie eine Pressekonferenz.
Chodorkowski war am Freitagmorgen nach mehr als zehn Jahren in Haft überraschend vom russischen Präsidenten Wladimir Putin begnadigt und aus dem Straflager entlassen worden. Anschließend flog er nach Berlin, wo er am Flughafen Schönefeld vom früheren Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) empfangen wurde.
Genscher hatte sich mit Unterstützung der Bundesregierung im Stillen bei Putin für die Freilassung Chodorkowskis eingesetzt. Der frühere Ölmagnat und Chef des inzwischen zerschlagenen russischen Öl-Konzerns Yukos war 2003 festgenommen und 2005 und 2010 in zwei umstrittenen Prozessen gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Platon Lebedew zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Chodorkowski trifft Familie in Berlin
Die Eltern Chodorkowskis sind am Samstag in Berlin eingetroffen. Seine Mutter Marina und sein Vater Boris landeten an Bord einer Linienmaschine aus Moskau, wie ein Sprecher der Familie mitteilte. Noch an diesem Samstag will sich die Familie wiedersehen.
Mit seinem Sohn Pawel, der in New York lebt, hat sich Chodorkowsi in Berlin bereits getroffen. "Der älteste Sohn von Michail Borissowitsch, Pawel, hat seinen Papa schon getroffen. Sie sind jetzt in Berlin zusammen", sagte Chodorkowskis Sprecherin Olga Pispanen dem russischen Rundfunksender Moskauer Echo am Samstag. Den genauen Zeitpunkt des Wiedersehens nannte sie nicht.
Kreml-Sprecher: Chodorkowski kann nach Russland zurückkehren
Michail Chodorkowski hat nach Angaben des Kreml jederzeit das Recht, nach Russland zurückzukehren. "Er ist frei, nach Russland zurückzukehren. Absolut", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Samstag. Peskow machte keine Angaben zu möglichen Bedingungen für die Freilassung. Auch äußerte er sich nicht dazu, ob Chodorkowski in seiner Heimat wieder politisch aktiv werden darf.
Der 50-jährige Kreml-Kritiker habe vor seiner Begnadigung zwei Briefe an Putin geschrieben, sagte Peskow: einen kurzen offiziellen und einen weiteren, langen und persönlicheren. Weitere Einzelheiten nannte Putins Sprecher nicht.
CDU und SPD fordern mehr Rechtsstaatlichkeit von Putin
Nach der Freilassung Chodorkowskis haben Außenpolitiker der großen Koalition den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu grundlegenden Reformen und mehr Rechtsstaatlichkeit aufgefordert. "Eine Reform der Justiz ist Herr Putin seinem Land weiterhin schuldig", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Rolf Mützenich, der "Welt am Sonntag". "Bei aller Freude über die Amnestie: Viele Menschen sind in Russland inhaftiert, nur weil sie sich für Umweltschutz oder Menschenrechte einsetzen, oder weil sie korrupte Beamte kritisieren."
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Den Rechtsstaat gebe es in Russland nur auf dem Papier, kritisierte Mützenich. "Viele nicht prominente Regimegegner und Menschen, die Missstände kritisiert haben, müssen skandalöse Prozesse über sich ergehen lassen und mit Straflagern rechnen", sagte Mützenich der "WamS".
Polenz: "Willkür-Justiz in Russland bleibt bestehen"
Im Inforadio des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) forderte der SPD-Politiker ein anhaltendes humanitäres Engagement zugunsten russischer Regierungskritiker. "Wir müssen uns weiterhin humanitär hinter verschlossenen Türen auch für weniger prominente Fälle stark machen." Die Amnestie auch für die Greenpeace-Aktivisten und die beiden Frauen der Band Pussy Riot könne "eine neue Chance für intensivere Gesprächskontakte nach Moskau" sein. Von einem politischen Tauwetter in Russland könne jedoch keine Rede sein, es handele sich vielmehr um Einzelaktionen.
Auch der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz rief Putin zu grundlegenden Reformen auf. "Bei aller Freude über die Freilassung Chodorkowskis ist damit der Rechtsstaat in Russland nicht näher gerückt", sagte Polenz der "WamS". "Die Willkür-Justiz in Russland bleibt bestehen." Dieses "grundsätzliche Problem" müsse Putin lösen, forderte Polenz. "Dieses 'Daumen hoch, Daumen runter' eines einzelnen Mannes erinnert an das alte Rom oder an mittelalterliche Sitten", sagte Polenz. (afp/dpa/rtr)