Berlin. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz stößt bei Gewerkschaften und Sozialverbänden auf Kritik. Zum 1. Januar 2010 soll das Kindergeld um 20 Euro erhöht werden, außerdem steigt der Kinderfreibetrag. Auch Unternehmen sollen mit dem Gesetz entlastet werden. Besonders das Hotelgewerbe profitiert.
Die Regierung hat das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und damit unter anderem eine Erhöhung des Kindergeldes auf den Weg gebracht. Einen entsprechenden Beschluss fasste das Bundeskabinett am Montag in Berlin. Das Entlastungsgesetz zugunsten von Eltern, Erben, Unternehmen und Hotels ist jedoch bei der Opposition sowie Gewerkschaften und Sozialverbänden auf Kritik gestoßen.
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Das Gesetz muss noch durch Bundestag und Bundesrat und soll am 1. Januar in Kraft treten. Zu den Maßnahmen gehört eine Erhöhung des Kindergeldes um je 20 Euro. Für das erste und das zweite Kind gibt es damit vom kommenden Jahr an monatlich 184 Euro, für das dritte 190 Euro und für jedes weitere je 215 Euro. Auch eine Erhöhung des Kinderfreibetrages auf 7.008 Euro ist vorgesehen. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) bezifferte am Wochenende die Entlastung auf insgesamt 8,5 Milliarden Euro, wovon der Bund etwa 4,5 Milliarden Euro zu tragen habe.
24 Milliarden Euro für das neue Gesetz
Außerdem sollen «krisenverschärfende Elemente» der Unternehmenssteuerreform «abgemildert» werden. Unter anderem wird ein Wahlrecht zur Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter mit einem sofortabzugsfähigen Betrag bis zu 410 Euro eingeführt. Firmenerben werden entlastet, die Umstrukturierung in Konzernen bei der Grunderwerbssteuer erleichtert. Auf Druck der CSU sinkt der Mehrwertsteuersatz im Hotelgewerbe von derzeit 19 auf sieben Prozent.
Nach Worten Kauders stehen für die neuen Vorhaben insgesamt nicht mehr als die im Koalitionsvertrag vereinbarten 24 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese Summe beinhalte bereits die 4,5 Milliarden Euro des Bundes für das Sofortprogramm. Die weiteren gut 19 Milliarden Euro seien für die Steuerstrukturreform «die absolute Obergrenze».
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, nannte das Sofortprogramm am Montag «eine dreiste Mogelpackung» und ein finanzpolitisches Abenteuer. Der DGB verwies auf sinkende Steuereinnahmen und warnte, der Staat habe kein Geld zu verschenken - «weder an Gutverdiener, noch an Erben oder Unternehmen».
Statt mehr Geld Betreuungs- und Bildungsangebote ausbauen
Der Deutsche Caritasverband begrüßte, dass Kindergeld und der Steuerfreibetrag für Kinder erhöht werden, weil dies ein Stück mehr Familiengerechtigkeit schaffe. Doch mahnte Präsident Peter Neher, die neue Regierung dürfe die armen Kinder und ihre Familien nicht vergessen. Denn Kinder in Arbeitslosengeld-II-Familien profitierten weder vom Kindergeld noch vom Freibetrag. Und das Sozialgeld für sie sei zu niedrig.
Der Städte- und Gemeindebund hält die geplante Kindergelderhöhung für falsch. «Statt 20 Euro mehr im Monat wäre es wichtiger, die Betreuungs-Bildungsangebote und Jugendzentren weiter auszubauen», sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Mit den Milliarden könnte man die Chancen gerade für benachteiligte Kinder und Jugendliche verbessern, zum Beispiel durch regelmäßige Schulmahlzeiten, bessere Betreuung und Einzelförderung etwa im Sprachbereich.
Poß monierte, von den zusätzlichen Maßnahmen der neuen Regierung werde kaum eine nennenswerte Wachstumswirkung ausgehen. «Dazu ist ihr Gesamtvolumen gemessen am Bruttoinlandsprodukt viel zu klein.» Die Steuerausfälle kämen als Bumerang zurück, warnte er. «Den Bürgern, die jetzt auf Pump mit höherem Kindergeld und höheren Kinderfreibeträgen bedient werden, wird die Rechnung für diese unsolide und abenteuerliche Politik präsentiert werden.»
«Wahlversprechen an Interessengruppen eingelöst»
Der Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick bilanzierte auf «news.de», das Gesetzespaket habe keinerlei positive Auswirkung auf Investitionen und Beschäftigung. «Die Maßnahmen beinhalten keine übergreifende Perspektive für mehr Wachstum, stattdessen werden bloß Wahlversprechen an einzelne Interessengruppen eingelöst», sagte Schick. Insgesamt sei das Wachstumsbeschleunigungsgesetz eine unsystematische Sammlung von Einzelmaßnahmen.
Die steuerpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Barbara Höll, kritisierte, mit der im Vergleich zum Kindergeld fast doppelt so hohen Entlastung beim Kinderfreibetrag würden Besserverdienende eindeutig bevorzugt. Von den Steuersenkungen für Unternehmen profitierten vor allem große Konzerne und Verkäufer von Unternehmen. «Zudem werden die Unternehmen damit von nahezu allen Gegenfinanzierungsmaßnahmen für die massive Körperschaftsteuersenkung durch die Unternehmenssteuerreform 2008 befreit», beklagte sie. «Alles in allem beschleunigen die Maßnahmen nicht das Wachstum, sondern das weitere Auseinanderdriften von Arm und Reich.» (AP/ddp)