Washington. . US-Regierungsvertreter haben einem Medienbericht zufolge eingeräumt, dass Bundeskanzlerin Merkel bis vor kurzem vom US-Geheimdienst bespitzelt wurde. Demnach habe Präsident Obama allerdings fünf Jahre lang nichts davon gewusst und die Bespitzelung vor wenigen Wochen einstellen lassen.

Die Bespitzelung der Mobiltelefone von Bundeskanzlerin Angela Merkel und über 30 weiteren Staats- und Regierungschefs durch den amerikanischen Geheimdienst „National Secrity Agency“ (NSA) hat fast fünf Jahre ohne das Wissen von Präsident Obama stattgefunden. Das schreibt das „Wall Street Journal“ (WSJ) unter Berufung auf Regierungskreise in Washington in seiner Ausgabe vom Montag.

Nach Recherchen der Investigativ-Reporterin Shioban Gorman hat das Weiße Haus den Lauschangriff auf Merkel und einen namentlich nicht genannten Teil der prominenten Zielgruppe erst vor wenigen Wochen nach einer internen Überprüfung einstellen lassen. Warum, dazu gibt der Bericht keine Auskunft.

Laut WSJ hat die NSA eigenständig über das Abschöpfen der auswärtigen Staatenlenker entschieden, Obama persönlich sei mit spezifischen Personalien nicht befasst gewesen. Lediglich den Rahmen, die Prioritäten bei der geheimdienstlichen Arbeit, habe das Weiße Haus vorgegeben.

Einige Top-Politiker werden immer noch ausgespäht

Welchen Erkenntnisgewinnung sich die NSA vom Abhören der Handy-Kommunikation von Merkel und anderen Regierungsspitzen versprach oder im einzelnen konkret erzielt hat, darüber gibt der Bericht keine Auskunft.

Tatsache aber sei, dass nicht alle Promi-Quellen der Beobachtung entzogen seien. Bis zum heutigen Tag, so bestätigten Regierungsstellen der Zeitung, würden einige Top-Politiker ausgespäht, „weil die Vereinigten Staaten daraus Nutzen zögen“. Deswegen sei es möglich, dass über abgefangene Kommunikationen Dritter auch heute noch Angela Merkel und andere Ex-Ziele in das Blickfeld der NSA geraten.

Eine mögliche Erklärung, warum Merkel erst in diesen Tagen von der Überwachung erfuhr, obwohl übereinstimmende Medienberichte feststellen, dass die CDU-Politikerin bereits seit 2002 ausgespäht worden sei, liefert Gorman unter Berufung auf ihre Quellen auch. Als Obama 2009 ins Amt kam, sei Merkel als eine von Dutzenden fortzusetzenden Überwachungsmaßnahmen quasi wie Routine behandelt worden.

Die von der Obama-Regierung in den vergangenen Tagen als Antwort auf den internationalen Protest mehrfach angekündigte Aufgabenkritik der NSA-Tätigkeiten soll vor Weihnachten vorliegen. Bis Mitte Dezember werde eine Gruppe von regierungsexternen Experten, darunter Ex-CIA-Vize Michael Morrell und der frühere Anti-Terror-Chefberater von Präsident Bill Clinton, Richard Clarke, Vorschläge für eine Neujustierung der Geheimdienst-Arbeit vorlegen, schreibt die Zeitung.