Washington. . Das abgehörte Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel überrascht in den USA offenbar niemanden. Wussten die Deutschen wirklich nicht, dass sie unter Dauerbeobachtung stehen? Die Entscheidung dazu fiel gleich nach den Terroranschlägen von 2001.

Wenige Monate nach den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 machte der ehemalige Direktor des US-Geheimdienstes CIA, James Woolsey, eine Bemerkung, an die sich heute manche erinnern. Als Grund für das Versagen der amerikanischen Geheimdienste, an denen die Flugzeug-Attentate von Al-Kaida in New York und Washington komplett vorbeigegangen waren, nannte Woolsey damals: „Weil ein Großteil der Vorbereitungen in Ländern getroffen wurde, in denen die CIA nicht spioniert: in Deutschland und in den Vereinigten Staaten.“ Ein Verweis auf die Bedeutung des Standortes Hamburg, wo die Terrorzelle um Mohammed Atta unentdeckt agieren konnte.

Um den Wiederholungsfall für immer auszuschließen, so erklärten am Wochenende Sicherheitsexperten in Washington im Gespräch mit unserer Redaktion, habe Amerika ab 2002 auch Deutschland „pauschal als neuralgischen Punkt identifiziert und mit allen Erfolg versprechenden Mitteln unter Dauerbeobachtung gestellt“.

Alles zu wissen, war unter Bush Staatsdoktrin

Dass der Drang nach Informationsbeschaffung vor den Spitzen von Staat, Parteien und Wirtschaft nicht aufhörte, sei die „logische Folge“ dieser „Nie-wieder-Haltung“ gewesen, hieß es dazu weiter. Vorbeugend alles wissen zu wollen, „war unter Präsident George W. Bush Staatsdoktrin“.

Dass dies in Deutschland, ausgelöst durch die Enthüllungen von Edward Snowden, jetzt als Sensation wahrgenommen wird, kann James Andrew Lewis nicht nachvollziehen. Der Technik-Experte vom „Center for Strategic and International Studies“ (CSIS) in Washington geht davon aus, dass Kanzlerin Angela Merkel um die Lauschangriffe aus der amerikanischen Hauptstadt wissen musste, sagte er der „Wirtschaftswoche“. Das Versagen liegt seiner Meinung nach bei deutschen Stellen, die der Regierungschefin kein abhörsicheres Mobiltelefon zur Verfügung gestellt hätten.