Düsseldorf. . Behinderte und nicht behinderte Kinder sollen zusammen unterrichtet werden – das entsprechende Gesetz will Düsseldorf nun verabschieden. Doch der Streit um die „Inklusion“ geht wohl weiter. Die Kommunen befürchten, auf den höheren Kosten sitzen zu bleiben.
Soviel steht fest: Auch nach der Verabschiedung des Inklusionsgesetzes am kommenden Mittwoch im Landtag geht der Streit um das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht behinderten Schülern in NRW weiter. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) sitzt zwischen allen Stühlen. Kommunen, Lehrer und Opposition beklagen den Mangel an Personal, Geld und Ausstattung der Schulen. Eltern von Kindern mit Handicap geht der Prozess hingegen häufig nicht schnell genug.
Behinderte Kinder sollen ab dem Schuljahr 2014/15 schrittweise zunächst in den Klassen 1 und 5 gemeinsam unterrichtet werden. Das Prinzip der Inklusion tragen (fast) alle mit. Aber es geht ums Geld. Die Kommunen fürchten bis 2020 Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe, wenn sie die Inklusion umsetzen müssen. Die rot-grüne Koalition lehnt eine Kostenübernahme allerdings bisher mit der Begründung ab, dass die Kommunen als Schulträger auch für den behindertengerechten Umbau der Schulen verantwortlich seien.
In letzter Minute bemüht sich SPD-Fraktionschef Norbert Römer, den Städtetag dafür zu gewinnen, dass zunächst ein Jahr lang analysiert wird, ob Mehrkosten entstehen. Etliche Kommunen drohen aber schon jetzt mit einer Verfassungsklage, falls das umstrittene Gesetz im Landtag beschlossen wird.
Schulen haben bereits Erfahrungen
Die Schulen vermissen verbindliche Qualitätsstandards für den gemeinsamen Unterricht. Lehrer fordern kleinere Klassen und klagen über mangelnde Sonderpädagogen sowie fehlendes Lernmaterial. Schulministerin Löhrmann kontert, dass NRW mit der Inklusion kein Neuland betritt. Schon heute liegt die Inklusionsquote der Grundschulen bei 33,6 Prozent und in der Sekundarstufe I (Klassen 5 bis 10) bei 18,4 Prozent.
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Nach den Plänen des Ministeriums soll die Klassengröße an Grundschulen bis 2015 von 24 auf 22,5 Schüler verkleinert werden sowie an Real- und Gesamtschulen von 28 auf 26 Schüler schrumpfen. Auch an Sekundar- und Gesamtschulen sind kleinere Lerngruppen geplant.
683 Förderschulen
Noch werden knapp 100.000 behinderte Schüler an einer der 683 Förderschulen in NRW unterrichtet. 18.000 Kinder mit Handicap besuchen eine Regelschule. Mehr als die Hälfte der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind lernbehindert oder leiden unter emotional-sozialen Entwicklungsproblemen. Rund 20.000 Kinder lernen aufgrund einer Körperbehinderung an einer Förderschule. Das Gesetz sieht vor, dass bis 2017 die Hälfte aller Schüler mit Behinderungen in allgemeinen Schulen unterrichtet wird.
CDU-Oppositionschef Karl-Josef Laumann fürchtet eine „Inklusion light nach Kassenlage“. Zudem könne NRW bei dem hohen Tempo des Umbaus die Qualität nicht gewährleisten. Eltern behinderter Kinder drohe der Verlust der Wahlfreiheit, wenn die wenigen Förderschulen in ländlichen Regionen demnächst nur über lange Anfahrten zu erreichen seien, warnte Laumann.
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Mehr als 3000 neue Lehrer
Drei Viertel der Lehrer sehen große Probleme durch die Inklusion an Regelschulen, weil sie sich unzureichend vorbereitet fühlen. Das Schulministerium bemüht sich, die Vorbehalte zu zerstreuen. Bis 2017 sollen 3215 zusätzliche Lehrer eingestellt werden. An Hochschulen werden 2300 neue Studienplätze für das Lehramt mit sonderpädagogischem Förderbedarf eingerichtet. Die Gewerkschaft GEW verlangt eine Doppelbesetzung mit einem Lehrer und einem Sonderpädagogen in Klassen mit maximal 20 Schülern – inklusive fünf Kindern mit Behinderung.
Auch Schulministerium Löhrmann weiß, dass das Inklusionsgesetz das größte Reformprojekt der nächsten Jahre wird. Klar ist aber auch: Mit dem Gesetz setzt NRW nur die Verpflichtung aus der im Jahr 2009 unterzeichneten UN-Behindertenrechtskonvention um. Oppositionsvorwürfe, sie peitsche das Gesetz gegen alle Widerstände durch, lässt Löhrmann nicht gelten. Trotzdem herrscht Zeitdruck: Im November beginnen die Anmeldungen zum neuen Schuljahr. Bis dahin muss das Gesetz beschlossen sein.