Essen. Bisher ist Rom hart zu Menschen, die nach einer Scheidung ein zweites Mal heiraten. Doch der Ruf nach Reformen wird immer lauter. Die Diözese Freiburg wagt nun ein viel beachtetes Experiment. Wir haben drei wiederverheiratete Katholiken aus NRW nach ihren Erfahrungen mit der Kirche gefragt.
Liegt es am neuen, mitfühlenden Papst, oder ist die Zeit einfach reif dafür? In der katholischen Kirche werden Stimmen laut, die einen weniger strengen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen fordern. Bisher sind diese Menschen von kirchlichen Ämtern und den Sakramenten ausgeschlossen, also zum Beispiel von Kommunion, Beichte, Krankensalbung. Nun aber gibt die Diözese Freiburg eine neue Handreichung für Seelsorger heraus, ein Papier mit „Signalcharakter“.
In Einzelfällen soll es Priestern gestattet sein, Wiederverheiratete zur Kommunion zuzulassen. Es scheint also Bewegung zu kommen in ein uraltes Thema. Doch kaum wird es diskutiert, bremst Rom schon die Euphorie. Vatikansprecher Federico Lombardi sagt, solche Veränderungen seien Angelegenheiten der Bischöfe und des Papstes: „Lokale Lösungsvorschläge schaffen nur Verwirrung.“ Der Münchener Erzbischof Reinhard Marx warnt seinen Freiburger Kollegen Robert Zollitsch vor „vorschnellen Lösungen“.
Wir haben Menschen in unserer Region gefragt, die persönlich erfahren haben, wie die Kirche auf Scheidung und Wiederheirat reagiert. Es sind schmerzliche, nachdenkliche, aber auch optimistische Sätze dabei. Klicken Sie sich durch, um ihre Geschichten zu lesen.
Heinrich Adrian - "Die Aufbruchstimmung ist gescheitert"
Heinrich Adrian (64) lebt in Essen. Er arbeitet in der Geschäftsstelle der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Essen:
Das Engagement in der Kirche hat mich geprägt. Wichtig ist mir diese Feststellung: Ich bin katholisch, und ich will katholisch sein. In Gemeinden in Duisburg und Essen habe ich mit anderen Christen viel bewegen können. Als Messdiener, als Pfadfinder, als Organisator von Freizeiten, als Berater. Über Jahrzehnte war ich mit Herz dabei. Reform-Bemühungen hat es viele gegeben, das Zweite Vatikanische Konzil hat der Kirche sogar Aufbruchstimmung beschert. Aber die ist gescheitert. Das ist die bittere Erfahrung von vielen Katholiken aus meiner Generation. Ich habe Pfarrer und Kapläne gekannt, die unfähig waren, mit den Problemen der Welt klarzukommen. Männer, die am Zölibat scheiterten und sich an Kindern vergingen. Und ich habe erlebt, wie Mädchen in Gemeinden benachteiligt wurden.
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1999 habe ich mich, nach 25 Jahren Ehe, von meiner Frau getrennt und 2001 eine andere Frau geheiratet. Auf einmal kannte man mich nicht mehr in der Gemeinde. Niemand interessierte sich für die Hintergründe, niemand grüßte mehr, ich war plötzlich Luft. Dieser Stachel sitzt tief. Ich hätte sicher jederzeit in einer anderen Gemeinde zur Kommunion gehen können, aber das wollte ich nicht. Denn ich finde es nicht richtig, dass man mich offiziell von den Sakramenten ausgeschlossen hat.
Sicher gibt es heute wieder eine Aufbruchstimmung in der Kirche. Aber ich sehe das Bodenpersonal Gottes nicht, das das, was der neue Papst denkt, in den Gemeinden durchsetzen könnte. Ich bin in Erfurt geboren. Vieles in der Kirche erinnert mich an die letzten Jahre der DDR. Die Leute machen im System mit, aber ohne eine innere Überzeugung.
Kornelia Elbers - "Fühle mich als Katholikin zweiter Klasse"
Kornelia Elbers (55) lebt mit ihrem Mann Peter in Rheinberg. Die Angestellte arbeitet bei der Stadt Wesel:
Als ich das erste Mal geheiratet habe, war ich 17. Eigentlich war es eine Kinderehe. Ich musste sogar für ehemündig erklärt werden. Natürlich ging das schief. Heute spielt die Schuldfrage ja keine Rolle mehr, damals aber schon. Nach sieben Jahren wurde ich „nicht schuldig“ geschieden und war alleinerziehende Mutter einer Tochter. Auch mein heutiger Mann heiratete viel zu jung, auch seine erste Ehe ging früh in die Brüche. Als ich ihn schließlich heiratete, war ich 30.
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In diesen turbulenten Jahren habe ich mich immer der Kirche zugehörig gefühlt. Dass ich nicht mehr zur Kommunion gehen durfte, akzeptierte ich zwar als „Kirchenregel“. Doch als unser gemeinsamer Sohn zur Erstkommunion ging, fühlte ich mich schon als Katholikin zweiter Klasse. Ich fand es schwierig, ihm zu erklären, warum wir Eltern in der Bank sitzen bleiben müssen, während die anderen Väter und Mütter die Kommunion empfangen durften. So ein Kind bekommt doch leicht den Eindruck, die Eltern hätten „etwas Böses“ gemacht, wenn sie innerhalb der Kirche ausgeschlossen werden.
Dennoch haben wir immer am Kirchenleben teilgenommen. Selbstverständlich ging unser Sohn auch zur Firmung. Im kommenden Jahr feiern wir unsere Silberne Hochzeit. Mein erstes Enkelkind hatte im Frühjahr Erstkommunion. Diesmal bin ich auf Wunsch meiner Tochter und meines Schwiegersohnes geschlossen als Familie mit zur Kommunion gegangen. In meiner Heimatgemeinde hätte ich das nicht gemacht. Die Kirchensteuer zahle ich selbstverständlich, doch der Großteil der Rechte fehlt mir. Das bewegt mich schon sehr.
Marion Gierden-Jülich - "Am Ende entscheidet allein der liebe Gott"
Marion Gierden-Jülich (62, CDU), Euskirchen, war Staatssekretärin in NRW. Sie ist im Vorstand des Sozialdienstes katholischer Frauen:
Auch ich habe eine Scheidung hinter mir und habe danach wieder geheiratet. Manchmal ist das Schicksal eben so, dass man das Ende einer Ehe gar nicht verhindern kann. Im Umgang mit anderen Kirchenmitgliedern habe ich dadurch keinen Nachteil. Ich fühle mich nicht wie eine Ausgestoßene. Aber dennoch gibt es dieses Gefühl, nicht mehr richtig teilhaben zu dürfen. Ich empfinde das als ungerecht. Am Ende entscheidet über unser Leben nicht ein Bischof, sondern allein der liebe Gott.
Ich bezweifele, dass es richtig ist, Menschen auf diese Weise von Ämtern und Sakramenten auszuschließen, aber so schnell dürfte sich daran nichts ändern. Ich gehöre dem Bundesvorstand des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) an. Aber nur als beratendes Mitglied. Weil ich geschieden und wiederverheiratet bin, kann ich hier kein ordentlich gewähltes Vorstandsmitglied sein. Meine Arbeit wird dadurch nicht beeinträchtigt. In Köln bin ich übrigens ordentliches SkF-Mitglied.
Der rheinische Katholizismus ist dem Leben mehr zugewandt. Rom schickt uns die strengsten Kardinäle, aber die Kölner Katholiken bleiben gelassen.
Der neue Papst Franziskus löst Aufbruchstimmung aus. Er ist mutig. Doch die Dogmen sind noch da, und Franziskus wird sie so schnell nicht aus der Welt schaffen können. Sein Ruf nach mehr Barmherzigkeit ist aber ein großer Schritt. Der Wunsch, die Kirche möge sich auf ihre eigentlichen Aufgaben, auf die Menschen und ihre Nöte, konzentrieren, gefällt mir. Beim SkF machen wir ja genau das.
Ich habe eine Beziehung zu meiner Kirche – den vielen offenen Fragen zum Trotz.