Stuttgart. Nach dem Wahl-Debakel will die FDP sich ein sozialeres Antlitz verpassen. Auch mit Schulpolitik will der neue Hoffnungsträger Christian Lindner künftig bei den Wählern punkten. Doch es gibt bereits erste Stimmen aus der Partei, die vor einem Linksruck warnen.

Die FDP will nach ihrem Rauswurf aus dem Bundestag ihr Themenspektrum erweitern und sich verstärkt sozialen Problemen widmen. "Wir verstehen uns immer als ein Anwalt der Chancengerechtigkeit", sagte der voraussichtliche Parteivorsitzende Christian Lindner am Mittwoch in Stuttgart. Zuvor hatte der nordrhein-westfälische Landtagsfraktionschef mit seinen Länderkollegen eine "Stuttgarter Erklärung" verabschiedet. Danach soll "eine faire Wirtschaftsordnung" und eine "ideologiefreie Bildungspolitik" vorangetrieben werden. Unter anderem müsse die Zahl der Ganztagsschulen erhöht werden.

Die hessische Kultusministerin Nicola Beer (FDP) soll der Bundes-FDP als künftige Generalsekretärin bei der Neuaufstellung helfen. Lindner will die 43-Jährige als Nachfolgerin von Generalsekretär Patrick Döring vorschlagen, wie die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch aus Parteikreisen erfuhr. Am Freitag will Lindner die Kandidatin in Berlin öffentlich vorstellen.

Beer ist seit Mai 2012 Kultusministerin in Hessen. Bei der Landtagswahl vor eineinhalb Wochen hatte die bisher regierende schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) aber ihre Mehrheit verloren. Die FDP dürfte an einer neuer Landesregierung nicht beteiligt sein.

Lindner will Partei von Düsseldorf führen

Als Generalsekretärin käme Beer eine wichtige Rolle bei der Neuaufstellung der FDP zu. Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag fehlt den Liberalen die wichtigste politische Bühne, der Parteiapparat in Berlin muss aus finanziellen Gründen erheblich verschlankt werden.

Die FDP war bei der Bundestagswahl am 22. September auf 4,8 Prozent der Stimmen gekommen und verpasste damit erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik den Einzug. Die Parteispitze um FDP-Chef Philipp Rösler kündigte daraufhin ihren Rückzug an. Lindner soll Anfang Dezember auf einem Sonderparteitag in Berlin zu Röslers Nachfolger gewählt werden.

Lindner will die Partei künftig von Düsseldorf aus führen, wo er der FDP-Fraktion im Landtag vorsteht. Sein Verhältnis zum bisherigen Generalsekretär Döring gilt als gestört. Mit Beer würde er eine Vertraute in der Berliner Parteizentrale installieren.

"Union einzig denkbarer Koalitionspartner"

Lindner äußerte sich am Mittwoch noch nicht zu der Personalie. In einem Interview kündigte er aber an, dass die FDP weiblicher werden müsse. "Unsere starken Frauen will ich in der Parteiführung sichtbar machen", sagte er der "Rheinischen Post". Er wolle die Partei künftig im Team führen: "Einer allein schafft die Arbeit nicht, wir brauchen einen neuen Corpsgeist in der FDP."

Beer wäre nicht die erste Frau im Amt des FDP-Generalsekretärs: Von 1988 bis 1991 war der Posten mit Cornelia Schmalz-Jacobsen besetzt.

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FDP-Vize Holger Zastrow warnte seine Partei unterdessen, sich im Zuge der Neuaufstellung nach links zu öffnen. Für ihn als Liberalen gebe es "nur die Union als einzig denkbaren Koalitionspartner", sagte der sächsische Politiker der "Leipziger Volkszeitung". Als Begründung gab er an, dass "Sozialdemokraten, Grüne und Kommunisten allesamt Sozialisten" seien.

Auch die Vorsitzenden der FDP-Fraktionen in den Landesparlamenten und im Europaparlament wollen sich aktiv für einen Neuanfang der Partei einsetzen: Die 92 Abgeordneten in den Ländern und zwölf Abgeordneten im EU-Parlament sähen sich "in der Verantwortung, dem Zeitgeist einer staatsfixierten Politik das Modell einer modernen sozialen Marktwirtschaft und einer aktiven Bürgergesellschaft gegenüberzustellen", hieß es in einer in Stuttgart veröffentlichten Erklärung.

In Berlin ist die FDP weiter mit der Abwicklung der 93 Abgeordneten umfassenden Bundestagsfraktion beschäftigt: Nach Angaben der "Bild"-Zeitung lud Noch-Fraktionschef Rainer Brüderle die liberalen Parlamentarier für den kommenden Dienstag zu einer Sitzung. Thema sollen demnach die Finanzlage der Fraktion und die Sozialpläne für deren Mitarbeiter sein.
(dpa/afp)