Berlin. . Sie schätzen und respektieren einander: CDU-Chefin Angela Merkel und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel leiten die schwarz-roten Gespräche. Schon einmal arbeiteten sie gut zusammen, damals war Gabriel ihr Umweltminister in der Großen Koalition. Das könnte sich nun auszahlen.
Gespräche über eine Große Koalition ja, eine Festlegung aber noch lange nicht: Der Sondierungsbeschluss des kleinen SPD-Parteitags ist nur ein allererster Schritt in Richtung Regierungsbeteiligung, für SPD-Chef Sigmar Gabriel ist er dennoch ein Erfolg.
Mit großer Umsicht habe Gabriel die Bedenken der Parteibasis aufgenommen und zugleich die Chance auf eine Koalition gewahrt, lobten SPD-Führungsleute flügelübergreifend nach dem Parteikonvent. Doch richtig ernst wird es erst, wenn nach den Sondierungsgesprächen der kleine Parteitag erneut zusammenkommt, das Ergebnis beraten und über die Aufnahme offizieller Koalitionsverhandlungen entscheiden wird.
„Frau Merkel ist eine sympathische Frau“
Man gehe selbstbewusst in die Verhandlungen, hat der Vorsitzende versichert. Es gibt auch einen persönlichen Grund für seine Zuversicht: Zu Angela Merkel, die die Unionsdelegation anführt, hat Gabriel jenseits politischer Differenzen ein erstaunlich gutes Verhältnis, das dürfte sich jetzt auszahlen. Sie respektieren sich, beide reden außerhalb des Wahlkampfs auffallend freundlich übereinander, Gabriel noch mehr als Merkel: „Natürlich ist Frau Merkel eine sympathische Frau“, hat der SPD-Chef vor einiger Zeit verkündet.
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Sie kennen sich seit 2005, als Merkel Kanzlerin einer schwarz-roten Regierung wurde und Gabriel ihr Umweltminister. „Es war ein sehr fairer und kollegialer Umgang“, hat Gabriel im Rückblick gelobt, nicht alle Spitzengenossen sehen das so. Wenn es Krach gab im Kabinett, stellte sich die Kanzlerin auch mal auf Gabriels Seite. Im Streit um die Biosprit-Förderung etwa ermahnte sie führende Parteifreunde im CDU-Vorstand, freundlicher mit ihrem Minister umzugehen. Auch wegen solcher Vertrauensbeweise hat sich Gabriel nie über die Kanzlerin beschwert, obwohl die Union ihn mehrmals mit Projekten auflaufen ließ.
Eine echte Verstimmung
Das Verhältnis ist intakt geblieben, allen öffentlichen Reibereien zum Trotz. Gabriel hat sich bis zum Wahlkampf auch bemüht, die Kanzlerin nicht als Person zu attackieren. Nur einmal, 2010, gab es eine echte Verstimmung: Als eine vertrauliche SMS von Merkel an Gabriel im Zusammenhang mit der Bundespräsidentenwahl wenig später öffentlich bekannt wurde. Merkel war über die Indiskretion höchst verärgert, ignorierte einen Entschuldigungsversuch Gabriels und stellte den Kontakt zum Parteichef für einige Monate ein.
Vergessen hat Merkel den Vorfall wohl nicht. Sie beobachtet Gabriel sehr genau, sie kennt seinen Machtinstinkt. Strategen in der CDU-Zentrale halten die Frage, ob Gabriel nicht heimlich doch Rot-Rot-Grün anvisiert, für offen. In früheren Analysen hat das Konrad-Adenauer-Haus Gabriel „Populismus als klares Leitmotiv“ attestiert und ihm vorgeworfen, er wolle die SPD strategisch zur Linkspartei öffnen. Wie groß das Misstrauen bei manchen Unionsgranden sitzt, macht CDU-Vize Julia Klöckner deutlich: Sie warnte Gabriel am Wochenende schon vor „Trickserei“ – er wolle erst verhandeln und sich dann hinter einer Mitgliederbefragung verstecken.
Gewinner und Verlierer
Keine Angst vor Neuwahlen
Aber die Art und Weise, wie der SPD-Chef seinen Laden zusammenhält, wird in der CDU doch mit Respekt verfolgt: Nur ein starker Parteichef sei auch ein verlässlicher Koalitionspartner, heißt es. Und Merkel weiß aus der gemeinsamen Regierungszeit, dass hinter dem Polterer Gabriel auch ein verlässlicher Verhandlungspartner steckt. CSU-Chef Horst Seehofer sagte am Wochenende: „Ich halte ihn für einen absolut seriösen und inhaltlich kompetenten Gesprächspartner.“
Vor den Gesprächen steht Gabriel unter Druck, und Unionspolitiker warnen die Kanzlerin schon vor zu viel Entgegenkommen, nicht nur beim Thema Steuern. „Die SPD ist nicht der Wahlsieger“, mahnt Unionsfraktionschef Volker Kauder. Gabriel droht umgekehrt, die SPD habe auch keine Angst vor Neuwahlen.