Athen. . Aufgerüttelt durch den Mord an einem linken Musiker hat die griechische Justiz zur Zerschlagung der Neonazi-Partei “Goldene Morgenröte“ ausgeholt: Der am Samstag verhaftete Parteichef Nikos Michaloliakos sowie vier weitere festgenommene Abgeordnete könnten bald von einem Ermittlungsrichter angeklagt werden.

Die Alarmglocken läuteten monatelang ungehört. Praktisch aus der Bedeutungslosigkeit waren die Rechtsextremisten allmählich zur drittstärksten politischen Kraft in Griechenland aufgestiegen. Sie wurden nicht nur stärker, sondern auch aggressiver.

Fast täglich wurden Migranten von kahlgeschorenen Bodybuildern überfallen. Vier Tote und 400 Verletzte zählten die griechischen Behörden in den vergangenen zwei Jahren. Die Justiz, die dem Treiben lange genug fast hilflos zugesehen hatte, schlug jetzt mit aller Macht zu. "Die Demokratie fegt die Nazis weg", lautete der Tenor in der Athener Sonntagszeitung "To Vima". Die meisten Sonntagszeitungen erschienen wegen der dramatischen Ereignisse mit einer Extra-Ausgabe.

Am Samstag bei Morgendämmerung brach in Griechenland die Kraftprobe der Justiz und der Demokratie mit der Goldenen Morgenröte an. Viertel vor sechs Uhr läutete es an der Tür von Parteichef Nikolaos Michaloliakos im Vorort Athens Péfki. "Sie sind verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung zu führen", soll ein Staatsanwalt nach Medienberichten dem verwunderten Michaloliakos gesagt haben.

Weitere 19 Abgeordnete und Parteifunktionäre wurden aus dem gleichen Grund verhaftet. Die Anklage lautet auf Totschlag, Erpressung und schwere Körperverletzung und illegalen Waffenbesitz. "Sie werden einen gerechten Prozess haben", sagte Justizminister Charalambos Athanasiou nach einem Treffen mit dem griechischen Regierungschef Antonis Samaras. Auf freiem Fuß gebliebene rechtsradikale Abgeordnete kündigten umgehend an, weiter für ihre Partei zu kämpfen.

Verfassung bietet keine Möglichkeit demokratisch gewählte Parteien zu verbieten

Wachgerüttelt wurde Athen erst in der vergangenen Woche. Ein linker Rapper wurde von einem Rechtsradikalen, einem mutmaßlichen Mitglied der Goldenen Morgenröte, mit zwei Messerstichen getötet. Regierungschef Antonis Samaras kündigte kurz darauf an: Griechenland werde "den Epigonen der Nazis nicht gestatten, das soziale Leben zu vergiften". "Handschellen für die sechs Köpfe des Monsters (des Neonazismus)", titelte die linksliberale Zeitung "Eleftherotypia". Gemeint damit sind die sechs Abgeordneten der Partei, gegen die ein Haftbefehl ausgegeben worden ist.

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Das grundsätzliche Problem der Regierung und der demokratischen Parteien des Landes ist, dass die Verfassung keine Möglichkeit bietet, eine mit den Stimmen des Volkes ins Parlament gewählte Partei zu verbieten. Der Fehler wurde nach Ansicht von Kommentatoren 1993 begangen, als die Partei zugelassen worden war. Damals lag sie bei einem Stimmenanteil von 0,3 Prozent. Niemand glaubte, sie könnte eines Tages zur Gefahr für die Demokratie werden.

Griechen wollten Politiker mit Wahl der Partei "bestrafen"

Und dann setzten zwei parallele Entwicklungen ein. Die Euro-Schuldenkrise und die Sparprogramme der Regierung führten zu einem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Zugleich beklagten die Griechen einen unkontrollierbaren Zustrom von Flüchtlingen. Der Rassismus griff um sich, ein verzweifelter Teil der Gesellschaft wurde radikaler.

Viele Griechen wollten die Politiker "bestrafen" und wählten Goldene Morgenröte. "Ein gefundenes Fressen" für die Propagandisten der Partei, sagt ein 88 Jahre alter, ehemaliger Widerstandskämpfer des Zweiten Weltkrieges.

Regierungschef Samaras reagierte nach außen gelassen auf den Schlag gegen die Neonazi-Szene. Er reiste am Samstagmittag zu einem Besuch in die USA ab. Beim Verlassen seines Regierungssitzes sagte er Reportern, das Motto laute jetzt "Gerechtigkeit und Stabilität". (dpa/afp)