Essen. Nach dem Kampf um den Studienplatz gibt es nun einen großen Wettbewerb um kostengünstige Bleiben. Von den 123.000 Erstsemestern in NRW haben vor allem die Studienbeginner in Universitätsstädten kaum Aussicht auf einen schnellen Erfolg. Viele Studenten aus dem Ruhrgebiet bevorzugen „Hotel Mama“.
So viele Studenten wie nie zuvor beginnen in diesem Herbst in NRW ihr Studium. Die Hochschulen stellen sich auf 123.000 Erstsemester ein. Nach dem Kampf um einen Studienplatz beginnt nun das Rennen um eine günstige Wohnung. Die große Nachfrage und steigende Mieten machen es besonders schwer, eine preiswerte Bude zu finden. Der Zubau an Wohnheimplätzen hielt nicht Schritt.
Die Studentenwerke, Betreiber der Wohnheime, fordern den Bau von zusätzlich 25.000 Plätzen, in NRW fehlten mindestens 5000, erklärt Helga Fels von der Arbeitsgemeinschaft der Studentenwerke NRW. 37.000 Studierende leben in NRW in den Wohnhäusern der Studentenwerke, Ende 2014 sollen es knapp 40.000 sein. Mit durchschnittlich 224 Euro im Monat sind die Mieten deutlich niedriger als vergleichbare Angebote auf dem freien Markt.
Wartelisten bei Studentenwerken sind lang
Die Wartelisten sind entsprechend lang, in Bochum haben sich bereits 1500 Bewerber angemeldet, in anderen Hochschulstädten sieht es ähnlich aus. Dabei wird der große Ansturm erst noch erwartet, denn bis Ende Oktober laufen die Zulassungsverfahren der Hochschulen, erst dann wissen die Studenten, an welchem Ort sie eine Bleibe suchen müssen.
Engpässe gibt es vor allem in Aachen, Köln, Münster, Düsseldorf und Siegen. Im Ruhrgebiet ist die Lage noch vergleichsweise entspannt, doch ab Oktober wird auch hier kein Zimmer mehr frei sein.
In Bochum wird ein Priesterseminar zum Wohnheim umgebaut
Um die Not zu lindern, wird in Bochum ein Priesterseminar zum Wohnheim umgebaut, in Siegen ein Schwesternwohnheim, in Köln gar eine Polizeiwache. Auch Turnhallen, Altenheime oder Kasernen sind mancherorts als Notunterkünfte geplant. Untypisch für andere Uni-Städte: Im Ruhrgebiet bleibt etwa ein Drittel der Studenten zu Hause wohnen und pendelt täglich zur Uni.
Nur jeder zehnte Student wird am Ende einen Platz in einem Wohnheim ergattern. Alle anderen müssen sich eine Bleibe auf dem freien Markt suchen. Und das wird immer teurer. Nach Angaben der NRW-Bank stiegen die Mieten an den Hochschulstandorten zuletzt um zehn Prozent. Gerade bei kleinen Wohnungen konkurrieren die Studenten mit Alleinstehenden, Geringverdienern und Senioren, was die Mieten treibt. Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) appelliert an Hausbesitzer: „Helfen Sie mit und vermieten Sie freien Wohnraum an Studenten.“
Student in Münster übernachtete zwei Nächte im Schaufenster
Wer studieren will, braucht auch ein Dach über dem Kopf. Dieser simple Zusammenhang ist bei dem hektischen Ausbau der Studienplätze offensichtlich übersehen worden. Kurz vor Beginn des Wintersemesters wird jetzt die Wohnungsnot in vielen Städten deutlich – und die Studenten sind frustriert.
Um auf den Mangel hinzuweisen, schlief kürzlich ein Student in Münster zwei Nächte lang in einem Kaufhaus-Schaufester. Zwar flatterten ihm anschließend einige Angebote barmherziger Bürger ins Haus, doch lindern solche Aktionen kaum die Wohnungsnot der Studenten in den Hochschulstädten des Landes.
Mehr als 300 Euro Miete kaum zu verkraften
Semester für Semester ist es mittlerweile das gleiche Spiel, die Suche nach einer passenden Bleibe wird angesichts steigender Mieten immer schwieriger. Der doppelte Abiturjahrgang sowie der Wegfall der Wehrpflicht machen die Lage auf dem studentischen Wohnungsmarkt in diesem Herbst besonders prekär.
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Schon vor Monaten wiesen die Studentenwerke darauf hin, dass sich die Lage seit Anfang des Jahres nicht gebessert habe. Die Mieten auf dem freien Markt steigen, dabei seien die Studenten auf preiswerten Wohnraum angewiesen, betont Helga Fels von der Arbeitsgemeinschaft der Studentenwerke NRW. „Der Bafög-Höchstsatz liegt bei 670 Euro, Mieten von 300 Euro und mehr sind da kaum zu verkraften“, rechnet sie vor.
Matratzenlager in Turnhallen zu Semesterbeginn
Um die Mieten unter dieser Schmerzgrenze zu halten, benötigten die Wohnheim-Betreiber staatliche Zuschüsse. Doch die Landesregierung sei mit dem Blick auf zukünftig womöglich sinkende Studierendenzahlen zögerlich. Zwar stellte NRW 50 Millionen Euro als Wohnungsbauförderung bereit, doch kam die Zusage erst in diesem Jahr, „das ist zu spät, der Aufbau von Wohnheimplätzen benötigt Zeit“, meint Helga Fels. Von den Matratzenlagern in Turnhallen zu Semesterbeginn werde man mancherorts daher so schnell nicht wegkommen.
Die Studentenwerke bemühen sich, für die Studenten als Vermittler zum freien Wohnungsmarkt einzuspringen, um sie nicht mit der verzweifelten Suche und den steigenden Mietpreisen allein zu lassen. Ralf Weber vom Bochumer Studentenwerk Akafö kann 4100 Wohnheimplätze belegen, „zudem pflegen wir eine gute Kooperation mit privaten Wohnheimen, die noch einmal 1000 Zimmer anbieten.“ Wenn das nicht reicht, werden Kontakte zu privaten Wohnungsvermietern geknüpft.
Im Vergleich zu Aachen, Köln oder Münster seien die Mieten auf dem privaten Wohnungsmarkt im Ruhrgebiet noch recht moderat. Weber: „Ende der 90er-Jahre mussten wir Wohnwagen-Camps aufbauen. Das wird jetzt nicht nötig sein.“