Fürth. Während der Pubertät fiebern viele Eltern darauf hin: Wann zieht unser Kind endlich aus? Zum Studienbeginn ist es dann meistens soweit. Doch das kann eine ganz schöne Lücke hinterlassen. Durch Festklammern und Einmischen lässt sie sich aber nicht füllen.

Tausende Abiturienten erwarten jeden Sommer sehnsüchtig ihre Studienplatzzusage. Flattert diese ins Haus, beginnt für sie ein neuer Lebensabschnitt - und für die Eltern gleich mit. Denn mitzuerleben, wie die Kinder aus dem Haus ausziehen, ist für viele eine große Veränderung. "Sie sollten sich Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, was es für sie bedeutet, dass ihr Kind auszieht", rät Ulrich Gerth, Vorsitzender der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) in Fürth.

Beim Loslassen könne helfen, mit dem Partner Pläne zu machen, ein neues Hobby zu suchen oder alte Freundschaften zu vertiefen. Der Schritt falle insbesondere jenen Eltern schweren, deren einziges oder letztes Kind auszieht: "Viele Eltern sprechen von einem großen Einschnitt, einer Lücke, die ihr Kind hinterlässt", sagt Elmar Basse, Psychologe in Hamburg.

Eltern müssen oft bürgen

Heiko Schäfer aus Berlin ist so ein Nesthäkchen. Im Sommer zieht er als letztes von drei Kindern aus und geht zum Studium nach Zittau. "Dass er wegziehen muss, wissen wir aber schon seit einem Jahr", erzählt seine Mutter Sabine. "Somit hatten wir eigentlich genug Zeit, uns darauf einzustellen." Außerdem spielt eine familiäre Veränderung ihr und ihrem Mann Hagen in die Karten: Im vergangenen Jahr kam ihr erstes Enkelchen zur Welt. "Um das können wir uns nun umso mehr kümmern", erklärt Hagen.

Mit Heiko werden sie in diesem Sommer das vorerst letzte Mal in den Urlaub nach Dresden fahren. "Bei dieser Gelegenheit sehen wir uns auch gleich die neue Wohnung in Zittau an und unterschreiben den Mietvertrag", erzählt Sabine. Oft verlangen die Vermieter eine Bürgschaft der Eltern. Bei Heiko kommt hinzu, dass er erst 17 Jahre alt ist. "Daher müssen wir uns mehr kümmern, als beispielsweise Eltern von volljährigen Kindern", sagt Hagen Schäfer. Ausgesucht habe Heiko die Wohnung aber alleine.

Eine Frage des Geldes

Dass sich die Eltern bei der Suche nach einer Bleibe im Hintergrund halten, rät auch Carola Hettstedt vom Landesverband Thüringen des Deutschen Familienverbandes. "Die Wohnungssuche ist einer der ersten Schritte, die junge Erwachsene in ihrem selbstständigen Leben gehen." Dazu gehörten auch Details: "Die Kinder sollten ruhig eigenständig ausrechnen, wie viel Geld sie jeden Monat benötigen." Sind Eltern unsicher, wie viel sie ihrem Nachwuchs monatlich zahlen sollen, können sie sich am BAföG-Höchstsatz orientieren, empfiehlt Hettstedt.

Auch Familie Schäfer hat sich mit dem Thema Finanzen frühzeitig auseinandergesetzt. "In seinem dualen Studium bekommt Heiko ein Ausbildungsgehalt. Wir geben ihm dann noch sein Kindergeld sowie ein bisschen extra dazu", erklärt die Mutter. Dass sie ihm auch die notwendigsten Möbel finanzieren, ist für sie selbstverständlich. "Um Bett, Schrank und Schreibtisch muss er sich nicht kümmern. Außerdem bat er uns um einen Kühlschrank und eine Mikrowelle mit Umluftherd - damit er sich Kuchen backen kann."

Kindern müssen lernen auf eigenen Beinen zu stehen

Eltern sollten sich aber dazu zwingen, ihren Kindern nicht alles hinterher zu tragen. "Ihnen sollte schon klar sein, dass sie nun weitgehend auf eigenen Beinen stehen müssen", erklärt Ulrich Gerth. Kinder bräuchten zwar das Gefühl, dass Mutter und Vater für sie da sind. "Ansonsten sollten Eltern sie aber behutsam ins eigene Leben schubsen." Je schneller sich das Kind abnabeln will, desto mehr Zurückhaltung ist bei den Eltern angesagt, sagt der Psychologe Basse. Selbst wenn die Eltern monatlich etwas Geld zuschießen, bedeute das keinesfalls, dass sie sich bei der Wahl der Wohnung oder Einrichtung einmischen dürfen.

"Man muss anerkennen, dass man nun mit einem jungen Erwachsenen spricht", erklärt Gerth. Mit Fragen wie "Wie läuft es denn?" oder "Weißt du schon etwas?" könnten Eltern dezent nachhaken, ohne aufdringlich zu werden. "Merken sie, dass ihren Kindern etwas aus dem Ruder läuft, sollten sie sich aber auch nicht scheuen, einen Hinweis zu geben und Hilfe anzubieten."

Keinen Kontakt erzwingen

Zurückhaltung sei auch beim Kontakthalten angebracht. "Von Verpflichtungen wie jeden Sonntag anrufen zu müssen, rate ich strikt ab", warnt Gerth. Haben die Kinder das Gefühl, sich melden zu müssen, belaste das nur die Beziehung. "Vielmehr sollen sich die Kinder auf ihre Eltern freuen." Bei ihren eigenen Kindern hat Hettstedt die Erfahrung gemacht, dass viel lieber mal schnell eine SMS geschrieben wird. "Das ist unkomplizierter als der sonntägliche Anruf. Außerdem können sie selbst entscheiden, wann sie schreiben oder auf eine Nachricht antworten." Sind die Kinder dann zu Besuch, rät sie, daraus etwas Besonderes zu machen: "Etwa durch einen gemeinsamen Ausflug."

Hagen und Sabine Schäfer wollen erst einmal abwarten, wie oft sich ihr Sohn von selbst bei ihnen meldet. Viel wichtiger ist ihnen, dass er Anschluss im neuen Zuhause findet. "Momentan sind wir aber einfach nur froh, dass er genau den Studiengang bekommen hat, den er sich und den wir uns für ihn gewünscht haben." (dpa)