Ludwigsburg. . Während der Kriegsjahre 1941 bis 1945 gehörten sie zum Wachpersonal des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Heute sind die Männer und vereinzelte Frauen zwischen 87 und 97 Jahre alt. Trotzdem steht ihnen nun ein Prozess wegen Beihilfe zum zehntausendfachen Mord bevor. Vier Beschuldigte leben in NRW.

39 frühere Aufseher des KZ Auschwitz-Birkenau müssen 68 Jahre nach Kriegsende mit einer Anklage wegen Beihilfe zum zehntausendfachen Mord rechnen. Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland werden in den nächsten Wochen die Ermittlungen aufnehmen.

Vier der Beschuldigten, die alle zwischen 87 und 97 Jahre alt und unter denen einige Frauen sind, ­leben in NRW. Nach WAZ-Information liegen ihre Wohnorte in der ­Nähe von Moers, Bonn, Bielefeld und im Kreis Lippe.

Die mutmaß­lichen Täter wurden über die Vorwürfe von Seiten der Ermittlungs­behörden bisher nicht informiert. Auch ist noch nichts über ihren Gesundheitszustand bekannt. Sie haben meist „als gute Nachbarn“ gelebt, wie der Chef der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg, Kurt Schrimm, meint.

Ausgang der Verfahren ungewiss

Durch ihre Aufsehertätigkeit im Vernichtungslager Auschwitz-Bir­kenau zwischen 1941 und 1945, wo eine Million Juden in den Gaskammern starben, seien sie zwar nicht in verantwortlicher Position, aber dennoch Teil der NS-Tötungsmaschinerie gewesen, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt. Im Fall einer Verurteilung drohen ihnen Freiheitsstrafen zwischen drei und 15 Jahren. Der ­Ermittler ist aber skeptisch, ob es ­wegen des hohen Alters überhaupt zu Verurteilungen kommt.

In den Auschwitz-Prozessen der 60er- und 70er-Jahre waren teils ­lebenslange Haftstrafen verhängt worden, aber nur gegen Hauptverantwortliche. Schrimm fühlt sich in der Rechtsauffassung, auch das Personal der KZ-Wachbataillone wegen Beihilfe zum Mord zu verfolgen, durch das Urteil des Landgerichts München II gegen den Aufseher John Demjanjuk bestärkt. Es konnte wegen dessen Tod zwar nie Rechtskraft erlangen. Der Spruch habe aber eine Wende in der Rechtsprechung eingeleitet.

Ein Angeklagter lebt in Israel

Die Ludwigsburger Behörde hat die Vorermittlungen in den 39 Fällen abgeschlossen. Im Fall der vier NRW-Beschuldigten werden die ­Akten der Dortmunder Schwerpunktstaatsanwaltschaft zugestellt. Sie muss dann über eine Anklage entscheiden. Von den 39 Beschuldigten leben einige im Ausland – sieben in Russland, einer sogar – bisher offenbar unerkannt – in Israel. Der Leiter der Zentralen Stelle kündigte gestern an, noch nach bisher unbekannten Aufsehern anderer Vernichtungslager zu fahnden – dies auch im Ausland.