Düsseldorf. Scharfe Kritik an Schalke-Boss und Unternehmer Clemens Tönnies: Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) wirft dem Fleischproduzenten vor, gesetzliche Bestimmung zu missachten. Osteuropäische Billigkräfte und undurchsichtige Werkverträge - Bußgelder seien bei Tönnies' Kaufkraft keine Abschreckung.

Im Streit um Arbeitsbedingungen in der NRW-Fleischindustrie hat sich Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) mit Schalke-Boss Clemens Tönnies angelegt. „Alle Großen mit mehr als 350 Beschäftigten verstoßen in unterschiedlichem Ausmaß gegen gesetzliche Bestimmungen“, so Schneider am Dienstag.

Dies habe eine Sonderaktion der Staatlichen Arbeitsschutzverwaltung in 24 Großbetrieben und bei 27 Werkvertragsnehmern ergeben.

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Es geht dabei um die Beschäftigung von osteuropäischen Billigkräften über undurchsichtige Werkverträge, Schichten von bis zum 13,5 Stunden und unzureichende Sicherheitsstandards.

Tönnies zu Minister: "Das ist eine bodenlose Frechheit"

Bußgelder von 20.000 Euro seien kaum abschreckend, sagte Schneider und kritisierte kaum kaschiert auch den Fleischproduzenten und Schalke-Aufsichtsratschef Tönnies. „Wenn man Herrn Raul kaufen kann, sind 20.000 Euro nicht viel Geld“, so der Minister. Schalke hatte von 2010 bis 2012 Superstar Raul (Spanien) unter Vertrag.

Tönnies wies die Vorwürfe zurück: „Das ist eine bodenlose Frechheit“, so ein Unternehmenssprecher. Die Tönnies Unternehmensgruppe achte auf Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften. Schneider versuche, „Wahlkampf auf Kosten der Unternehmen in der Fleischbranche zu machen“.

Vor allem Fleischzerleger aus Mittel- und Osteuropa "zu Hungerlöhnen" beschäftigt 

Laut Schneider wurden bei zwei Dritteln der überprüften Betriebe Mängel festgestellt. Vor allem Fleischzerleger aus Mittel- und Osteuropa würden „unter menschenunwürdigen Bedingungen zu Hungerlöhnen“ beschäftigt. Arbeitszeiten von 13,5 Stunden täglich seien festgestellt worden.

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Es herrschten zum Teil „frühkapitalistische Bedingungen“, so Schneider. Beschäftigte hantierten bei der Fließbandarbeit mit scharfen Messern gefährlich nah nebeneinander, es gebe unzureichende arbeitsmedizinische Vorsorge und keine Anleitungen in der Muttersprache der Mitarbeiter. Die Gewerkschaft NGG kritisiert zudem, dass Bulgaren und Rumänen unwürdig untergebracht seien und zum Teil „Horrormieten“ von 200 Euro pro Bett in kleinen Zimmern zahlen müssten, die sie sich mit mehreren anderen teilen.

Bis zu 90 Prozent der Produktion durch Werkvertragsmitarbeiter

Ertappte Betriebe haben offenbar nur in seltenen Fällen schwerwiegende Konsequenzen zu befürchten. Es fehlt ohnehin an gewerkschaftlichen Strukturen in der Branche. Gerade osteuropäische Arbeiter begehren nicht auf, verdienen sie doch immer noch mehr als in ihren Heimatländern.

Die Landesregierung hat den Missbrauch von Werkverträgen als wesentliche Ursache für die Zustände in der Fleischindustrie ausgemacht. Es gebe Unternehmen, in denen 90 Prozent der Produktion von Werkvertragsmitarbeitern erledigt werde und betriebliche Strukturen praktisch aufgelöst seien, berichtete Schneider.

Initiative gegen Werkverträge soll auf zwei Sub-Unternehmer beschränken

Durch die wiederholte Weitergabe bestimmter Fleisch-Zerlegungsaufträge an Sub-Unternehmer von Sub-Unternehmern in Rumänien komme beim einzelnen Mitarbeiter nur noch ein Hungerlohn an. Bei Werkverträgen wird eine bestimmte Dienstleistung gegen eine feste Vergütung unabhängig vom Stundenaufwand eingekauft.

Gemeinsam mit Niedersachsen und dem Saarland will NRW eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, die künftig nur noch die Weitergabe von Werkvertragsarbeit an maximal zwei Sub-Unternehmer gestatten würde. Schneider brachte zudem Betriebsquoten für den Anteil der Werkvertragsarbeit an der Gesamtproduktion ins Gespräch.