Warschau. Sehnsucht nach dem starken Mann, Attacken gegen Andersdenkende: In Polen liebäugeln nicht nur die Extremisten mit “Gott, Ehre, Vaterland“. Viele Parolen der Rechten werden auch in konservativen Medien salonfähig. Dabei gerät auch der ehemalige polnische Außenminister ins Visier.

Der offene Brief von Mitarbeitern der Niederschlesischen Hochschule in Breslau (Wroclaw) gleicht einem Aufschrei: "Sehen und hören die anständigen Menschen in Polen, was sich Tag für Tag abspielt? Verstehen sie den Ernst der Lage? Hier sterben vor unseren Augen Demokratie und Freiheit, und die nackte Gewalt triumphiert!"

Das vor wenigen Tagen veröffentlichte Schreiben ist die Reaktion auf den Wunsch des bekannten Soziologen und Philosophen Zygmunt Bauman, auf die Ehrendoktorwürde der privaten Universität zu verzichten. Bauman wollte der Breslauer Hochschule Tumulte bei der für Oktober geplanten Zeremonie ersparen. Denn zuvor war er wochenlang antisemitischen und antikommunistischen Beschimpfungen im Internet ausgesetzt. Nur eine der immer zahlreicheren und lauteren Kampagnen von Gruppen, die sich im ständigen Kampf gegen alles sehen, was nicht polnisch, katholisch und national ist.

Der angesehene Wissenschaftler war als 19-Jähriger der Kommunistischen Partei beigetreten. 1968 brach er nach der antisemitischen Welle in seiner polnischen Heimat mit dem Kommunismus. In rechtskonservativen Internetforen wurde sein Rückzugsangebot als "Sieg der patriotischen Kräfte" gefeiert.

Hass verbreitet sich auch im Internet

In den gleichen Foren und Nachrichtenportalen wurde eine Prügel-Attacke polnischer Hooligans auf mexikanische Seeleute als "Lüge der Mainstream-Medien" verharmlost. Die Polen hätten nur die Ehre einheimischer Frauen verteidigt, die von den Lateinamerikanern am Strand der Hafenstadt Gdingen (Gdynia) belästigt worden seien, hieß es eilig zur Rechtfertigung der gewalttätigen Fußballfans.

Diese Interpretation kann Witold Niesiolowski, Bezirksstaatsanwalt in Gdingen, nach Auswertung der Überwachungskameras keinesfalls nachvollziehen. "Die Fans jagen die Mexikaner, nicht umgekehrt", betont er. "Man muss weder Staatsanwalt noch Polizist sein, um zu sehen, wer der Angreifer ist." Augenzeugen berichteten zudem, die Mexikaner seien mit ausländerfeindlichen Parolen beschimpft worden.

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Dass polnische Rechtsextremisten neue Anhänger gern unter gewalttätigen Fußballfans rekrutieren, ist seit Jahren bekannt. Doch seit einiger Zeit scheint manche rechte Parole auch in konservativen Kreisen und Medien salonfähig zu werden. Die Begriffe "Gott, Ehre, Vaterland" verbinden den rechten Rand der Gesellschaft mit Nationalkatholiken und stramm konservativen Publizisten.

Ex-Außenminister Wladyslaw Bartoszewski geriet ins Visier

Ins Visier dieser Allianzen gerät selbst der ehemalige polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski, der vor wenigen Tagen in der national-katholischen Zeitung "Nasz Dziennik" attackiert wurde. "Bartoszewski hat als erster polnischer Politiker dieses Ranges die Deutschen wegen der Vertreibungen (nach dem Zweiten Weltkrieg) um Verzeihung gebeten", warf das Blatt dem ehemaligen Auschwitz-Häftling vor. Auch dass er öffentlich Antisemitismus in Polen kritisierte, wurde dem gläubigen Katholiken als Nestbeschmutzung ausgelegt.

Vorbilder sehen für die polnischen Rechtskonservativen anders aus. In der jüngsten Ausgabe des Magazins "w Sieci" wird sehnsüchtig nach Ungarn geblickt. "Wie lässt sich der Erfolg Orbans in Polen wiederholen?" klingt in der Titelgeschichte die Hoffnung auf einen "starken Mann" durch. Der nationalkonservative Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski hat sich bereits für ein "Budapest an der Weichsel" ausgesprochen.

Die liberal-konservative Regierung von Donald Tusk befindet sich unterdessen seit Monaten im Umfragetief und würde derzeit von nur rund einem Viertel der Wähler die Stimme bekommen. (dpa)