Essen. Wohl 13 Millionen Deutsche haben schon mal „nebenbei“ gegen Geld gearbeitet. Oft sind es Putzjobs und Hilfsarbeiten, bezahlt ohne Rechnung. Schwarzarbeit ist beinahe schon ein Volkssport. Eine Momentaufnahme aus einem Land, das nur langsam ehrlicher wird.
A 3, Raststätte Ohligser Heide, ein Tag im Juli. 50 Zollbeamte winken die Lkw heraus. Sie fragen 223 Fahrer nach ihren Beschäftigungsverhältnissen. In elf Fällen stellen sie fest, dass der Mann am Steuer nebenher noch Sozialleistungen bezieht. Das nennt man Leistungsbetrug. Und 14-mal ermitteln sie, dass der Spediteur die Sozialabgaben seines Fahrers mal eben eingespart hat.
Die Razzia auf der Autobahn ist der klassische Fall für einen Erfolg der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. 2012 sind sie auf eine Schadenssumme von 751,9 Millionen Euro gestoßen. Viel wie nie zuvor.
Schamhaft wird gefragt: „Brauchen Sie eine Rechnung“?
Doch an den Block der ganz großen Schwarzarbeit kommen die Fahnder bei ihren täglichen Patrouillen auf Autobahnen und Baustellen nicht heran. Das sind nämlich die kleinen, privaten „Dienstleistungen“ der Babysitter, Friseure, Pflegerinnen, Putzhilfen und Tapezierer. Es sind die Fälle, bei denen schamhaft gefragt wird: „Brauchen Sie eine Rechnung?“
Auch die Bauleute gehören dazu, wie in dem Vorgang, der am Donnerstag in Karlsruhe entschieden worden ist mit dem Tenor: Liegt Pfusch bei der Schwarzarbeit vor, hat der Auftraggeber, der von der Schwarzarbeit wusste, keinen Anspruch auf Schadenersatz.
Es ist fast schon ein Volkssport
Wie weit verbreitet ist Schwarzarbeit in Deutschland?
Es ist eine riesige Grauzone. Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln schätzt, dass sich 13 Millionen Deutsche ab und an etwas „dazuverdienen“, ohne dass der Staat das mitbekommt. 344 Milliarden Euro werden in dieser „Schattenwirtschaft“ umgesetzt, glaubt das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung Tübingen – 13 Prozent aller Wirtschaftswerte, die im Inland geschaffen werden. Immerhin: Die Quote gehe langsam zurück, sagen die Experten. Die Leute werden etwas ehrlicher.
Wo findet diese Schattenwirtschaft hauptsächlich statt?
Wahrscheinlich hinter jeder zweiten Haustür. Die Minijob-Zentrale hat errechnet, dass beispielsweise 95 Prozent der Putzhilfen nicht angemeldet sind – so, wie es eigentlich vorgeschrieben ist. Nur knapp 250.000 legale Mini-Jobber gibt es in diesem Bereich, für deren Beschäftigung Steuern und Sozialabgaben abgeführt werden. Und eine Umfrage von Forsa hat ergeben, dass 56 Prozent der Befragten glauben, Schwarzarbeitgeber im Freundes- und Verwandtenkreis zu haben und jeder Vierte selbst bereits schwarz beschäftigt hat. Meist sind das die Besserverdienenden.
Der Ausweg aus der Illegalität ist leicht
Kann man die „haushaltsnahe“ Schwarzarbeit denn legalisieren?
Natürlich. Immer mehr Haushalte melden ihre Putzhilfen als Inhaber eines Mini-Jobs an. Die Auftraggeber können diese Kosten steuerlich bis maximal 510 Euro absetzen, alle Ausgaben zusammen amortisieren sich sehr schnell. Auch der Staat hat etwas davon: 2011 kassierte er so rund 6,6 Milliarden Euro.
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Wollen die Haushaltshilfen die Anmeldung denn?
Das ist tatsächlich ein Problem. Auf die Frage von Forsa antworteten 34 Prozent: „Die Hilfe möchte keine Anmeldung.“ Viele haben zwei, drei solcher Beschäftigungen. Beziehen sie Sozialleistungen, werden die Einnahmen natürlich darauf angerechnet. Außerdem schreckt manchen der bürokratische Aufwand, was aber ein falscher Eindruck ist.
Das Unfall-Risiko trägt der Arbeitnehmer
Hat eine Anmeldung denn Vorteile für die Arbeitnehmer?
Vor allem für die. Die Verbraucherzentrale NRW weiß: „Jedem muss klar sein, dass keine Unfallversicherung zahlt, wenn eine Putzfrau illegal arbeitet.“ Und auch der schwarzarbeitende Anstreicher, der von der Leiter fällt und sich dabei vielleicht Schäden fürs Leben holt, bekommt nichts. Was je nach Fall am Ende auch den Auftraggeber finanziell ruinieren könnte.
Wie schnell können Schwarzarbeits-Verhältnisse auffliegen?
Die 6500 Beamten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit haben im vergangenen Jahr auf Baustellen, wo die größte Ausbeutung der Arbeitskräfte erfolgt, mehr als 500 000 Arbeitnehmer überprüft. Hier wird es für Arbeitgeber, die so Steuern und Versicherungszahlungen sparen, also gefährlich und teuer. Geldstrafen bis zu 300 000 Euro können sofort verhängt werden. Auch Haft. Aber die Zollbeamten sind eben keine Haushalts-Kontrolleure. Ihnen ist der Zutritt zu Wohnungen ohne Durchsuchungsbeschluss verwehrt. Das verringert das Entdeckungsrisiko für Fälle, in denen es nur heißt: „Ohne Rechnung?“.
Das neue Gesetz zeigt Wirkung
Was bedeutet nun das Karlsruher Urteil für die Schwarzarbeit in Deutschland?
Es revidiert in Teilen eine alte Rechtsprechung und zeigt, dass das neue Schwarzarbeitsgesetz Wirkung zeigen kann. Denn die Richter haben festgestellt: Wer einverstanden damit ist, dass keine Steuern und Sozialabgaben gezahlt werden und damit finanzielle Vorteile hat, hat den Staat ebenso hintergangen wie der Schwarzarbeiter selbst. Das darf nicht belohnt werden.