Rostock. Je stärker die Arbeitslosigkeit, desto weniger Kinder je Frau werden geboren. Diese These wird durch eine Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock erhärtet. Die Wirtschaftskrise hat das Wachstum der Geburtenrate in Europa unterbrochen.

Wegen der Wirtschaftskrise sind im zurückliegenden Jahrzehnt in Europa weniger Kinder geboren worden. Im Durchschnitt von 28 europäischen Ländern sank die Kinderzahl pro Frau umso stärker, je höher die Arbeitslosenquote anstieg. Das geht aus einer Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock hervor, die am Mittwoch in der Fachzeitschrift "Demographic Research" online veröffentlicht wurde. Wie die Mitautorin Michaela Kreyenfeld der Nachrichtenagentur dpa sagte, hat die Krise einen europaweiten Aufschwung der Geburtenraten unterbrochen.

Besonders deutlich sei das in den südeuropäischen Ländern wie in Spanien und Kroatien, außerdem in Ungarn, Irland und Lettland. Insbesondere Menschen unter 25 Jahren verzichteten bei steigender Arbeitslosigkeit auf Kinder. Das wirkte sich vor allem auf die Geburt eines ersten Kindes aus. Die jungen Leute verschoben zumindest die Familiengründung, wenn sie auf dem Arbeitsmarkt erst gar nicht Fuß fassen konnten, wie Kreyenfeld erläuterte.

Spanien erlebte besonders deutliche Zäsur

Ob und wie wirtschaftliche Bedingungen das Geburtenverhalten der Menschen beeinflussen, ist nach Angaben des Max-Planck-Instituts eine der großen offenen Fragen der demografischen Forschung. Die Studie belege für das heutige Europa, dass die Höhe der Arbeitslosigkeit im eigenen Land sich durchaus auf die Bereitschaft, Kinder zu bekommen, auswirkt, sagte Kreyenfeld. Steige die Arbeitslosenrate um ein Prozent, sinke die Geburtenrate bei den 20- bis 24-Jährigen um etwa 0,1 Prozent, in Südeuropa um 0,3 Prozent.

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Eine besonders deutliche Zäsur erlebte der Studie zufolge Spanien. Dort wuchs die Kinderzahl pro Frau von 1,24 zu Beginn des Jahrtausends Jahr für Jahr und erreichte 2008 einen Wert von 1,47. 2009 sackte sie auf 1,40 ab, nachdem die Arbeitslosenquote sprunghaft von 8,3 Prozent (2008) auf 11,3 Prozent (2009) gestiegen war. 2011 lag sie bei 1,36 Kindern je Frau.

Keine bedeutenden Einflüsse in Deutschland festzustellen

In Tschechien und Polen, Großbritannien oder Italien stoppte die Krise laut Studie die wachsende Geburtenrate lediglich. In anderen Ländern wie Russland oder Litauen zeigte sie nur schwache oder gar keine Auswirkungen auf die Geburten. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ergab die Studie keine bedeutenden Einflüsse. Dort stieg die Arbeitslosenquote in den vergangenen Jahren allerdings auch nicht oder nur wenig an, in Deutschland sank sie sogar.

Die Forscher schließen nicht aus, dass sich die Krise weiter negativ auf die Geburtenrate auswirkt. Bislang wurden Daten für die Jahre 2001 bis 2010, teils bis 2011, untersucht. (dpa)