München. Erinnerungslücken, Tränen, viele Vernehmungen: Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München berichtete am Dienstag ein Beamter des Bundeskriminalamtes davon, wie Holger G. in Verhören Beate Zschäpe schwer belastete. Beate Zschäpe hörte mit eisernem Gesicht zu.

Holger G. gilt im NSU-Prozess als ein wichtiger Zeuge für die Anklage. Er soll mit seinen Aussagen vor allem die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und den Mitangeklagten Ralf Wohlleben schwer belastet haben. Der 39-Jährige hatte bis zuletzt Kontakt zum NSU-Trio gehalten und die drei in der Illegalität lebenden Neonazis nach eigenen Angaben auch aktiv unterstützt.

Daher kommt seinen Aussagen für das Verfahren eine besondere Bedeutung zu. Gleich mit der ersten Vernehmung nur einen Tag nach dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 5. November 2011 hatte Holger G. die Unterstützung für die Drei eingeräumt. Denn im Wohnmobil der beiden Toten war am Tag zuvor auch der Mietvertrag für das Fahrzeug gefunden worden, der auf seinen Namen lautete. Deshalb waren die Ermittler sehr schnell auf seine Spur gelangt.

Der rechte Terror der NSUDoch Holger G. hatte damals innerhalb eines halben Jahres seine Aussagen gegenüber dem Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA) immer wieder geändert, korrigiert. Es brauchte mehrere Vernehmungen, bis er die für die Anklage zusammengetragenen Details ausgesagt hatte.

Angeklagter Holger G. hatte in Vernehmungen Erinnerungslücken

Ein 49-Beamter des BKA schilderte am Dienstag vor Gericht, dass Holger G. in einer der ersten Vernehmungen beispielsweise beklagt habe, dass er die von ihm im Jahr 1998 für das untergetauchte Neonazitrio gespendeten 3000 Mark nicht zurückerhalten habe. Erst in einer späteren Vernehmung gab G. nach Angaben des Zeugen an, dass er das Geld im Jahr 2001 wieder zurück bekommen habe, als er dem Trio seinen Reisepass übergab.

Anfängliche Erinnerungslücken soll G. auch zur Übergabe eine Waffe an das NSU-Trio in den Vernehmungen gehabt haben. Erst nach einer Beratung mit seinem Anwalt hatte G. gegenüber den BKA-Beamten am 25. November 2011 angegeben, dass er wahrscheinlich im Jahr 2000 bei dem Jenaer Neonazi Ralf Wohlleben gewesen war, der ihm einen Beutel in seine Reisetasche gesteckt habe soll, mit dem Auftrag, diesen in Zwickau beim Trio abzugeben.

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Auch Wohlleben ist im Münchner NSU-Prozess angeklagt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm wegen des Besorgens einer Pistole für das untergetauchte NSU-Trio die Beihilfe zum Mord in neun Fällen vor. Denn bei der Waffe, die Holger G. nach Zwickau gebracht hat, soll es sich um die Ceska-Pistole handeln, mit der die neun fremdenfeindlichen NSU-Morde begangen wurden.

Stimmen die Angaben, war Beate Zschäpe für die Geldgeschäfte des NSU verantwortlich

Holger G. verfolgte die Aussagen des BKA-Ermittlers aufmerksam. Das Gros seiner Aussage las er in einem Aktenordner auf seinem Platz noch einmal nach. Immer wieder machte sich der Angeklagte Notizen. Beate Zschäpe hörte mit eisernem Gesicht zu. Hin und wieder erklärte sie ihrem Verteidiger, Anwalt Wolfgang Heer, etwas.

Sollten die Angaben stimmen, die Holger G. nach Aussage des BKA-Beamten gemacht hatte, dann war Beate Zschäpe für die Geldgeschäfte des NSU-Trios offensichtlich verantwortlich. Denn nur sie soll ihn immer wieder für Leistungen das Geld gegeben haben. Die Hauptangeklagte soll ihn auch im Jahr 2000 in Zwickau vom Bahnhof abgeholt und in die Wohnung der Drei gebracht haben. In ihrem Beisein soll dann einer der beiden Uwes die mitgebrachte Waffe ausgepackt und durchgeladen haben.

Laut Zeuge hatte G. mehrfach betont, dass die Waffengeschichte zum Ende der Freundschaft mit Ralf Wohlleben geführt habe. G. soll dem Mitangeklagten vorgeworfen haben, ihm so den schwarzen Peter zugeschustert zu haben.

Mit G.s Pass Wohnmobil gemietet, in dem sich Mundlos und Böhnhardt töteten

Der BKA-Beamte erklärte auf Nachfrage des Gerichts, dass die Vernehmungen teils schwierig gewesen seien, es wären „auch Tränen geflossen“. Die BKA-Befragungen hätten im Gefängnis Köln-Ossendorf stattgefunden. Teils seien die Vernehmer sogar durch eine Scheibe vom Häftling getrennt gewesen.

So schilderte der Zeuge auch noch einmal, wie im Jahr 2011 Holger G. noch einmal für das Trio einen Reisepass gefertigt hatte. Alle Drei sollen zu ihm gekommen sein. Weil G. eigentlich nicht wollte, wurden ihm sofort die Haare geschoren und Beate Zschäpe sei mit ihm danach zum Fotografen und auf die Behörde gegangen, um den Pass zu beantragen.

Einige Wochen später hatte Mundlos bei ihm den Pass abgeholt, mit dem dann auch das Wohnmobil gemietet wurde, in dem sich Mundlos und Böhnhardt am 4. November 2011 erschossen hatten, nachdem sie durch die Polizei in Eisenach entdeckt.