Athen. . Vor dem Athen-Besuch von Finanzminister Wolfgang Schäuble erreicht der Anti-Reform-Protest einen neuen Höhepunkt. Gewerkschaften haben am für Dienstag haben zu einem „Generalstreik“ aufgerufen. Er dürfte vor allem die öffentliche Verwaltung lähmen. Behörden und Finanzämter bleiben geschlossen.
Wenn Wolfgang Schäuble am Donnerstag nach Athen fliegt, begibt sich der deutsche Finanzminister damit gleichsam in die Höhle des Löwen: Mit Streiks und Demonstrationen protestieren Hunderttausende griechische Staatsbedienstete seit gestern gegen die geplanten Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst. Und viele Griechen verbinden mit dem Namen Schäuble vor allem das „Spardiktat“, das Griechenland immer höhere Arbeitslosenzahlen und wachsende Armut beschert.
Es ist das erste Mal seit Beginn der Eurokrise, dass Schäuble Griechenland besucht. Er will dort eine Vereinbarung über die Gründung einer staatlichen griechischen Förderbank unterzeichnen, die unter anderem mit Geldmitteln der EU und Darlehen der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ausgestattet werden soll. Die geplante Institution soll Klein- und Mittelbetriebe unterstützen.
Großdemonstration zum Schäuble-Besuch
Die Gewerkschaften haben während des Schäuble-Besuchs zu Großdemonstrationen vor dem Parlament aufgerufen: „Herr Schäuble ist der Hauptverfechter einer Politik, die uns zur Verarmung verdammt“, heißt es in dem Aufruf der Gewerkschaften. Die Tageszeitung „Real news“ widmete dem Minister vorab eine Schlagzeile auf deutsch: „Herr Schäuble, bringen Sie das gestohlene zurück!“ Es geht dabei um Reparationsforderungen für die Zeit des 2. Weltkriegs.
Aktuell stehen den Griechen neue schmerzhafte Einschnitte bevor. Bis Ende 2014 muss die Regierung in Athen 15 000 Beschäftigte entlassen, davon 4000 im Laufe dieses Jahres. Weitere 25 000 Staatsdiener sollen mit gekürzten Gehältern in eine so genannte „Mobilitätsreserve“ überstellt werden – die Vorstufe zur späteren Entlassung.
Ultimatum aus Brüssel
Der Stellenabbau ist Teil des jüngsten Sparpakets, das Griechenland auf Druck der internationalen Kreditgeber umsetzen muss. Bis Ende dieser Woche soll das griechische Parlament die Maßnahmen billigen, sonst gibt es keine weiteren Hilfskredite – so das Ultimatum der Euro-Finanzminister.
Die parlamentarischen Beratungen werden von massiven Protesten der Betroffenen begleitet. Seit gestern werden die Kommunen bestreikt. Die Rathäuser sind geschlossen, der Müll wird nicht abgeholt. In Athen demonstrierten Polizisten gegen die drohende Entlassung. Im Rahmen der Stellenstreichungen soll die kommunale Polizei aufgelöst werden. Die Regierung verspricht allerdings, dass die meisten Beamten bei der staatlichen Polizei weiterbeschäftigt werden.
47 Prozent für Stellenstreichnungen
Für den heutigen Dienstag haben die Gewerkschaften zu einem „Generalstreik“ aufgerufen. Er dürfte vor allem die öffentliche Verwaltung lähmen. Behörden, Ministerien und Finanzämter bleiben geschlossen. Die Staatsbahnen werden ebenso bestreikt wie staatliche Krankenhäuser. Auch die griechischen Fluglotsen wollen zwischen 11 und 15 Uhr die Arbeit einstellen, was zu erheblichen Störungen im Flugverkehr führen wird. In Athen und den anderen Großstädten haben die Gewerkschaften zu Großkundgebungen aufgerufen.
In der Privatwirtschaft dürfte der Streikaufruf aber nur geringe Resonanz haben. Die griechische Öffentlichkeit ist gespalten: Einer Umfrage zufolge lehnen 50 Prozent die Stellenstreichungen im Staatsdienst ab, immerhin 47 Prozent sind jedoch dafür.
Bewährungsprobe für Regierung
Das Parlament wird voraussichtlich am späten Mittwochabend über das Reformpaket abstimmen. Das Votum gilt als wichtige Bewährungsprobe für die erst vor drei Wochen gebildete konservativ-sozialistische Zweiparteienkoalition unter Ministerpräsident Antonis Samaras. Die Regierung verfügt nur über 155 der 300 Sitze im Parlament, und es ist ungewiss, ob alle Koalitionsabgeordneten für das Sparpaket stimmen, denn auch in den Regierungsparteien gibt es Widerstände gegen die Stellenstreichungen. Angesichts einer Arbeitslosenquote von 27 Prozent seien die Entlassungen nicht zu rechtfertigen, sagen Kritiker.